Leitsatz (amtlich)
1. Der Vollbeweis, dass ein konkretes Behandlungsrisiko (hier: Lagerungsschaden) vollbeherrschbar war, ist vom Patienten zu führen.
2. Der OP-Bericht dient nicht dazu, ärztliches Handeln in allen Einzelheiten zu dokumentieren; die Verwendung von Schulterstützen während der Lagerung des Patienten ist daher nicht gesondert dokumentationspflichtig, sondern kann sich auch aus der Art der Lagerung ergeben.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 1420/22) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 9.7.2024, 10.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 11.919,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen eines behaupteten Lagerungsfehlers und hierdurch verursachter Nervschädigung bei einer am 9.2.2021 im Hause der Beklagten durchgeführten laparoskopischen Eileiterentfernung geltend. Das Landgericht hat die Klage nach Zeugenvernehmung und Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 28.3.2024 - auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird - abgewiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel vollumfänglich weiter. Sie rügt im Kern, das Landgericht habe die Beweislast hinsichtlich einer fehlerhaften Lagerung verkannt und überdies die erhobenen Beweise falsch gewürdigt.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch. Die Berufungsbegründung zeigt keine Rechtsfehler oder Fehler bei der Tatsachenfeststellung auf, die es dem Senat in den ihm durch § 529 ZPO gesetzten Grenzen gebieten würden, eine abweichende Entscheidung zu treffen.
Im Einzelnen:
1. Entgegen der Rüge der Klägerin ist das Landgericht zutreffend von den Grundsätzen über die Beweislastverteilung beim sogenannten voll beherrschbaren Risiko ausgegangen. Indessen durfte es die Frage, ob ein solcher Fall des voll beherrschbaren Risikos in der vorliegenden Konstellation gegeben ist, zu Recht offenlassen.
Dass die Schäden der Klägerin auf einem behandlungsfehlerhaften Vorgehen beruhen, hat im Grundsatz zunächst die Klägerin zu beweisen. Ob die Voraussetzungen des § 630 h Abs. 1 BGB hier vorliegen, und damit die Annahme eines voll beherrschbaren Risikos gerechtfertigt ist, ist bereits zweifelhaft. Die Vermutung des § 630 h Abs. 1 BGB knüpft an Risiken an, die ärztlicherseits voll ausgeschlossen werden können und müssen, die also nicht auf dem von den Unwägbarkeiten des lebenden Organismus beeinflussten Kernbereich ärztlichen Handelns beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2017 - VI ZR 529/16, Rz. 10 - wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen nach juris; Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 630 h, Rz. 3 m.w.N.). Dass es sich um einen solchen vollbeherrschbaren Bereich handelt, steht aber zunächst zur Beweislast des Patienten, der hierfür den Vollbeweis führen muss (OLG Köln, Urteil vom 04.08.2008 - 5 U 228/07; OLG Hamm, Urteil vom 20.05.2011 - I 26 U 23/10; und vom 05.01.2011 - I-3 U 64/10; Senat, Urteil vom 1.6.2021 - 4 U 209/21 juris Rz. 18 m.w.N.). Die Klägerin müsste also zunächst mit dem Beweismaß des § 286 ZPO den Nachweis führen, dass im vorliegenden Fall etwaige Lagerungsschäden bei andersartiger oder sorgfältigerer Lagerung hätten vermieden werden können. Dieser Beweis erscheint vorliegend zweifelhaft, denn der Sachverständige hat insoweit unwidersprochen ausgeführt, dass die Risiken von lagerungsbedingten Nervschädigungen unter der Operation zwar minimiert, jedoch niemals ausgeschlossen werden könnten (mündliche Anhörung des Sachverständigen vor dem Landgericht, Protokoll vom 13.4.2024, dort S. 3).
2. Auch wenn man ungeachtet dessen von einer Beweislast der Beklagten für eine ordnungsgemäße Lagerung ausgehen würde hätte die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Im Grundsatz würde unter dieser Prämisse gelten, dass die Behandlungsseite die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch während des gesamten Eingriffs und in der postoperativen Aufwachphase trifft (OLG Koblenz, Urteil 5 U 662/08 vom 22. Oktober 2009 in NJW 2010, 1759 m.w.N.). Na...