Leitsatz (amtlich)
Der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung bis zum -unbekannten- Zeitpunkt der Räumung richtet sich nicht nach § 9 ZPO sondern nach § 3 ZPO (Anschluss OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 - 5 U 158/10, MDR 2011, 513). Die Höhe des Streitwertes entspricht der geforderten Nutzungsentschädigung für die voraussichtliche Dauer vom Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO) bis zur tatsächlichen Räumung. Regelmäßig kann von einer Zeitspanne von einem Jahr ausgegangen werden.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 01 O 3946/11) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gebührenstreitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 42.780,91 EUR festgesetzt.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wenden sich aus eigenem Recht gegen die -aus ihrer Sicht zu niedrige- Festsetzung des Gebührenstreitwertes für das erstinstanzliche Verfahren.
Mit der Klage vom 22.12.2011 nahm die Klägerin die Beklagte nach Kündigung des Mietvertrages auf Räumung und Herausgabe von in Leipzig gelegenen Gewerberäumen (Antrag zu 1), auf Zahlung rückständiger Miete von 12.705,94 EUR (Antrag zu 2), auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für den Monat Dezember 2011 von 1.421,86 EUR (Antrag zu 3) und auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung ab dem Monat Januar 2012 bis zur tatsächlichen Räumung (Antrag zu 4) in Anspruch. Der Rechtsstreit endete durch einen von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2012 geschlossenen Vergleich.
Das LG setzte mit Beschluss vom 14.5.2012 den Gebührenstreitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 28.692,16 EUR fest. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführer. Sie beantragen, den Streitwert auf 42.780,91 EUR festzusetzen. Dieser Betrag ergebe sich aus der Addition der 4 Klageanträge. So seien der Räumungsantrag mit 11.590,79 EUR (Jahresmiete zzgl. Umsatzsteuer), die bezifferten Anträge zu 2 und 3 mit ihrem jeweiligen Wert von 12.705,94 EUR bzw. 1.421,86 EUR und der Antrag zu 4 mit 17.062,32 EUR (Jahresbetrag der Nutzungsentschädigung) anzusetzen. Im Hinblick auf den Antrag zu 4 erscheine die Annahme einer voraussichtlichen Nutzungszeit von einem Jahr als angemessen.
Das LG hat der Beschwerde teilweise abgeholfen, indem es den Streitwert in seinem Beschluss vom 20.6.2012 auf 34.249,75 EUR festgesetzt hat. Im Übrigen hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, den Wert der Anträge zu 1-3 beziffere es wie die Beschwerdeführer. Der Wert des Antrages zu 4 liege aber nur bei 8.531,16 EUR, was der Nutzungsentschädigung für 6 Monate entspreche. Erfahrungsgemäß hätten Räumungsbegehren eine Dauer von 6 Monaten.
Die Beklagte erhielt im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme, äußerte sich aber innerhalb der ihr gesetzten Frist, welche am 31.7.2012 ablief, nicht.
II. Die aus eigenem Recht der Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde ist nach §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig. Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter (§§ 66 Abs. 6 S. 1, 68 Abs. 1 S. 5 GKG).
Die Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg, denn der Streitwert ist auf 42.780,91 EUR festzusetzen, wie die Beschwerdeführer zutreffend ausgeführt haben. Für die bezifferten Anträge (zu 2 und 3) ergibt sich dies ohne weiteres aus §§ 48 GKG, 3 ZPO. Auch der Streitwert des Räumungsantrages (zu 1) wurde von den Beschwerdeführern und vom LG zutreffend mit dem Betrag der Jahresnettomiete zzgl. Umsatzsteuer angesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 2.11.2005 - XII ZR 137/05, NZM 2006, 138).
In Bezug auf den Antrag zu 4 sprechen nach Auffassung des Senates die besseren Argumente dafür, den Jahresbetrag der Nutzungsentschädigung zugrunde zu legen anstelle des Betrages für ein halbes Jahr.
Zunächst geht der Senat mit dem LG und den Beschwerdeführern davon aus, dass sich der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung bis zum -unbekannten- Zeitpunkt der Räumung nicht nach § 9 ZPO sondern nach § 3 ZPO richtet (ebenso OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.1.2006 - 2 W 94/06, NZM 2006, 540; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2006 - 24 W 65/05, ZMR 2006, 517; KG, Beschl. v. 20.12.2006 - 12 W 66/06, NZM 2007, 600; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 - 5 U 158/10, MDR 2011, 513; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2008, 33 W 18/07, FamRZ 2008, 1208). Der Senat teilt die Erwägungen des OLG Stuttgart in seinem ausführlich begründeten Beschluss vom 17.1.2011 (a.a.O.).
Die Höhe des Streitwertes ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Sachgerecht ist danach der Ausgangspunkt der LG, wonach es auf die voraussichtliche Dauer vom Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO) bis zur tatsächlichen Räumung ankommt. Nicht gefolgt werden kann dem LG allerdings in der...