Leitsatz (amtlich)

1. Die Streitwertfestsetzung für eine Ehesache ist in dem Beschwerdeverfahren daraufhin zu überprüfen, ob sie im Gesamtergebnis den in § 12 Abs. 1 S. 1 GKG genannten Bemessungsfaktoren in angemessener Weise Rechnung trägt und nicht nur rein schematisch das dreifache monatliche Nettoeinkommen der Ehegatten angesetzt ist.

2. a) Soweit dabei der Umfang der Sache zu beurteilen ist, kommt es nur auf denjenigen des gerichtlichen Verfahrens und nicht auf den vor- oder außergerichtlichen Aufwand der beteiligten Rechtsanwälte an.

b) Art, Anzahl und Umfang der Folgesachen beeinflussen den Wert der Ehesache nicht.

c) Die bloße Tatsache, dass eine Ehesache ohne einander widersprechende Anträge durchgeführt wird, rechtfertigt für sich allein noch keinen Abschlag von dem Dreifachen der Nettoeinkünfte. Vergleichsmaßstab für die Bewertung des Umfanges einer Ehesache sind nicht die von der Zahl her geringen streitigen, sondern die den statistischen Regelfall darstellenden „einverständlichen” Scheidungen.

 

Normenkette

GKG § 12 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Chemnitz (Aktenzeichen 4 F 99/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin … wird der Streitwertbeschluss des AG – FamG – Chemnitz vom 17.1.2002 abgeändert.

Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens für die Ehesache und die Folgesachen elterliche Sorge und Versorgungsausgleich wird bis zum 11.10.2001 auf 12.400 DM und für die Zeit ab 12.10.2001 auf 10.900 DM festgesetzt.

Für die Scheidungsfolgenvereinbarung verbleibt es bei dem Streitwert von 3.325 DM.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin hat die Antragstellerin im Scheidungsverfahren vor dem AG – FamG – Chemnitz vertreten. Auf übereinstimmende Anträge der Antragstellerin und des Antragsgegners hin hat das FamG nach Anhörung beider Parteien in der Verhandlung vom 17.1.2002 mit Endurteil vom selben Tag die am 19.11.1983 geschlossene Ehe der Parteien, aus der zwei 1985 bzw. 1990 geborene Kinder hervorgegangen sind, geschieden.

Den Streitwert hat das FamG bis zum 30.6.2001 auf 5.299,50 Euro und nachfolgend für die Zeit ab Rücknahme des Antrags auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für den Sohn M. durch den Antragsgegner auf 4.549,50 Euro festgesetzt. Die in der Verhandlung zwischen den Parteien geschlossene Scheidungsfolgenvereinbarung über den Hausrat und den Verzicht auf die Durchführung des Zugewinn- und Versorgungsausgleichs hat es mit 1.700,00 Euro bewertet.

Für die Ehesache ist es von dem – um einen Pauschalbetrag von 1.000 DM für die beiden Kinder der Parteien verminderten – dreifachen monatlichen Nettoeinkommen der Parteien i.H.v. insgesamt 9.900 DM ausgegangen. Diesen Betrag hat es pauschal um 20 % auf 7.920 DM gekürzt und sich hierzu auf einen Beschluss des Senates vom 17.9.2001 (22 WF 456/01) bezogen. In dem damals zur Entscheidung stehenden Streitwertbeschwerdeverfahren hat der Senat mit einer insoweit knappen Begründung wegen des geringen Umfangs der Ehesache eine entsprechende Kürzung vorgenommen.

Die Kürzung um 20 % rügt Rechtsanwältin … mit ihrer Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat.

II. Da der zunächst zuständige Einzelrichter mit Beschluss vom 29.8.2002 die Sache übertragen hat, entscheidet der Senat in voller Besetzung.

Die gem. § 9 Abs. 2 S. 2 BRAGO i.V.m. § 25 Abs. 3 S. 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet. Das AG hat den Teilstreitwert für die Ehesache mit 7.920 DM zu niedrig bemessen.

Dem Senat liegen derzeit mehr als ein Dutzend Streitwertbeschwerden vor, in denen es hauptsächlich um die Frage geht, ob und inwieweit der geringe Umfang einer Ehesache, insb. bei „einverständlichen” Scheidungen, einen Abschlag von dem dreimonatigen Nettoeinkommen der Eheleute rechtfertigt. Bisher hat der Senat (zuletzt in OLG Dresden, Beschl. v. 1.2.2002 – 22 WF 50/02) die Auffassung vertreten, dass von dem Leitbild der Zivilprozessordnung von dem Ablauf eines streitigen Verfahrens auszugehen sei (so auch Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Rz. 24) und dass ein 20 %-iger Abschlag in der Regel dann veranlasst sei, wenn das Scheidungsverfahren ohne jegliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten und der Sachverhalt von vorneherein unstreitig war und wenn sich das in einer nur kurzen Anhörung der Parteien, dem anschließend zugleich verkündeten Endurteil und einer nur wenige Sätze umfassenden Begründung widerspiegelte. Nach erneuter Prüfung hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr uneingeschränkt fest.

1. Die Streitwertbemessung in Ehesachen richtet sich nach § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GKG. Danach ist in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Wert des Streitgegenstandes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insb. des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ermessen zu bestimmen. Das Gesetz verlangt also eine Gesamtabwägung aller aufgezeigten Bemessungsfaktoren (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 252; OLG Hamm v. 28.10.1988 – 4 WF 321/88, Rpfleger 1989, 104 [105]). Dabei ist in Ehesachen für die E...

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