Leitsatz (amtlich)
1. Wird einem Sachverständigen kein Sachverhalt vorgegeben, den er seiner Begutachtung zugrunde zu legen hat, kann der Vorwurf der Befangenheit nicht darauf gestützt werden, dass der Sachverständige den Sachverhalt eigenständig anhand der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen ermittelt.
2. Allein dadurch, dass der Sachverständige dem Gericht Hinweise für die weitere Beweisaufnahme gibt, die außerhalb seines eigentlichen Antrags liegen, macht er sich noch nicht befangen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2477/18) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 03.08.2020 - 6 O 2477/18 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 63.203,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von den Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung. Der am 13.11.1962 geborene Kläger alarmierte am 25.03.2012 gegen 15.53 Uhr den Rettungsdienst wegen plötzlichen Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbruch. Um 17.40 Uhr wurde er über den Rettungsdienst in die Notaufnahme der Beklagten zu 1) gebracht. Seitens des Notarztes wurde ein Verdacht auf Gastritis (Essensvergiftung wegen Fischbrötchen) geäußert. In der Notaufnahme wurde er untersucht und die Diagnose Kopfschmerzen, möglicherweise in Form von Clusterkopfschmerzen gestellt. Ihm wurden drei Schmerzmittel verabreicht und anschließend wurde er nach Hause entlassen. Am 26.03.2012 stellte er sich in der yyyklinik D ... vor, wo eine CT-Untersuchung stattfand und eine Subarachnoidalblutung festgestellt wurde. Am 28.03.2012 zeigte sich beim Kläger eine Eintrübung, woraufhin ein CT durchgeführt und ein beginnender Hydrocephalus diagnostiziert wurde. Am selben Tag wurde eine Liquordrainage durchgeführt und am 03.04.2012 erfolgte eine Shunt-Anlage. Die Sächsische Landesärztekammer stellte mit Bescheid vom 17.11.2016 fest, dass der Kläger im Hause der Beklagten zu 1) nicht entsprechend dem Facharztstandard behandelt worden war.
Der Kläger wirft den Beklagten vor, dass sie eine CT-Untersuchung zur Abklärung einer Hirnblutung nicht veranlasst haben. Es liege ein grober Befunderhebungsfehler vor. Wäre ein CT durchgeführt worden, wäre mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Hirnblutung erkannt worden. Dies hätte eine sofortige stationär Aufnahme und Behandlung des Klägers zur Folge gehabt. Beim Kläger seien partielle Hirnleistungsminderungen und leichte Störungen der Aufmerksamkeit verblieben. Bei sachgerechter Behandlung wären weitergehende Schmerzen sowie die weiteren Folgeschäden mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden worden.
Die Beklagten behaupten, die Behandlung des Klägers sei entsprechend dem Facharztstandard durchgeführt worden. Primäre Symptome seien Übelkeit und Erbrechen gewesen, die mit einem verzehrten Fischbrötchen in Zusammenhang gebracht worden seien. Die Kopfschmerzen hätten nur eine mittlere Intensität aufgewiesen, weshalb entsprechend dem Sorgfaltsmaßstab in der Notfallambulanz die durchgeführte Untersuchung und Diagnostik vertretbar gewesen sei. Bestritten werde, dass bereits am 25.03.2012 bei einer CT-Untersuchung eine Subarachnoidalblutung festgestellt worden wäre. Zudem sei es extrem unwahrscheinlich, dass eine unterlassene diagnostische Befunderhebung zu einer weiteren Schädigung des Klägers beigetragen habe. Der Behandlungsverlauf wäre kein anderer gewesen.
Das Landgericht hat den Sachverständigen PD Dr. C ... H ... mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt zu der Frage, ob ein Behandlungsfehler, insbesondere durch Unterlassen einer bildgebenden Diagnostik vorliege. Der Sachverständige hat sein Gutachten am 18.12.2019 erstellt. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 13.02.2020 den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Das Landgericht Dresden hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 03.08.2020 zurückgewiesen. Gegen den den Beklagten am 13.08.2020 zugestellten Beschluss haben sie mit am 21.08.2020 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie meinen, der Sachverständige sei ihnen gegenüber voreingenommen. Er habe von einem "Ermittlungsverfahren" gesprochen und schon bei der Aufzählung der zur Begutachtung herangezogenen Unterlagen habe er negative Bewertungen zu ihren Lasten vorgenommen. Des Weiteren habe der Sachverständige bei der Beurteilung einen Sachverhalt zugrunde gelegt, den auch nicht der Kläger nicht vorgetragen habe, sondern der sich nur aus einer Anlage des klägerischen Vortrages ergebe. Er habe angenommen, dass die Lebensgefährtin des Klägers und die Rettungsassistenten den Verdacht einer Hirnblutung geäußert hätten, die behandelnden Ärzte der Beklagten gleichwohl dem nicht nachgegangen seien. Der Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung zum Zustand des Klägers bei seiner Einlieferung sei nicht beachtet worden. Seine Bewertung, die Kopfschmerzen se...