Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Wer auf einer Fahrbahn mit mehreren Fahrstreifen, die durch Leitlinien oder Fahrstreifenbegrenzung mit Richtungspfeilen und jeweils eigener LichtZeichenregelung versehen sind, auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltelinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt, begeht - objektiv - einen Rotlichtverstoß.

  • 2.

    Gerade bei einer komplexen Verkehrsführung und -Situation ist eingehend zu prüfen, ob auch in subjektiver Hinsicht ein grober Pflichtenverstoß des Fahrzeugführers gegeben ist.

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Entscheidung vom 26.07.2001; Aktenzeichen 217 OWi 702 Js 6732/01)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 26. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Dresden zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 26. Juli 2001 hat das Amtsgericht Dresden den Betroffenen wegen "einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Nichtbefolgens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage, deren Rotphase bereits länger als 1 Sekunde andauerte" zu einer Geldbuße von 250, 00 DM verurteilt und von der Verhängung eines im Bußgeldbescheid der Stadt Dresden vorgesehenen Fahrverbotes abgesehen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 26. Juli 2001 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Rechtsbeschwerde dringt bereits mit der Sachrüge durch und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils.

1.

Das Amtsgericht Dresden hat folgendes festgestellt:

"Der Betroffene befuhr am 08. 08. 2000, gegen 17. 02 Uhr, mit dem Kraftrad Honda, amtliches Kennzeichen , in Dresden die Carolabrücke Richtung Albertplatz. Auf dem Carolaplatz hielt er auf der Fahrspur für den Geradeausverkehr zunächst auf Grund des Rotlichts der Lichtzeichenanlage an, fuhr nach dem Umschalten auf Grünlicht an und wechselte nach dem Überfahren der Haltelinie auf die Linksabbiegerspur, um die Fahrt in Richtung Köpkestraße fortzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt dauerte das gesonderte Rotlicht der Lichtzeichenanlage für die Linksabbiegerspur seit mindestens 43 Sekunden an.

Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer - insbesondere des Querverkehrs - war bei diesem Fahrmanöver auf Grund der Ampelschaltung am Carolaplatz ausgeschlossen. Der Betroffene hätte den Rotlichtverstoß bei Anwendung der von einem Kraftfahrer zu erwartenden Sorgfalt erkennen und vermeiden können. "

Das Amtsgericht stützt diese Feststellungen auf das nicht näher ausgeführte Geständnis des Betroffenen sowie auf die dem Bußgeldrichter bekannten Verkehrsverhältnisse am Carolaplatz.

Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt worden sind, die Schlüsse auf die innere Tatseite des Betroffenen zulassen. Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, jede theoretisch denkbare, den im Urteil dargestellten Umständen nach fernliegende Möglichkeit einer Fallgestaltung in seine Erwägungen einzubeziehen und im Urteil abzuhandeln. Hat er jedoch, obwohl der festgestellte und im Urteil niedergelegte Sachverhalt Anlass gibt, eine naheliegende Möglichkeit des Tathergangs außer Betracht gelassen, gilt seine Beweiswürdigung als lückenhaft und das sachliche Recht als verletzt (OLG Dresden, Beschluss vom 19. Juli 2000 - Ss (OWi) 327/00 -; Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO 12. Aufl. , § 337 Rdnr. 156 m. w. N. ).

Hiernach hätte dem Tatrichter die naheliegende Möglichkeit einer zumindest bedingt vorsätzlichen Handlungsweise des Betroffenen auffallen müssen. Das Amtsgericht geht auf Grund eines nicht näher ausgeführten Geständnisses des Betroffenen davon aus, dass dieser nach dem Umschalten auf Grünlicht zunächst auf der Fahrspur für den Geradeausverkehr anfuhr und sodann, obwohl das Rotlicht der Lichtzeichenanlage für die Linksabbiegerspur weiterhin und schon seit 43 Sekunden leuchtete, auf diese gewechselt ist. Es erscheint daher naheliegend, zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene die äußeren Tatumstände, insbesondere das Leuchten des Rotlichtes für die Linksabbieger in sein Wissen aufgenommen hatte und trotz der Kenntnis des Rotlichts auf die Linksabbiegerspur gewechselt ist. Die Verurteilung wegen nur fahrlässiger Begehungsweise hätte der Erörterung bedurft. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruches mit den Feststellungen, § 353 Abs. 2 StPO.

2.

Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:

a.

Das Amtsgericht ging zu Recht davon aus, dass der festgestellte Sachverhalt einen Rotlichtverstoß gemäß den §§49 Ab...

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