Leitsatz (amtlich)
1. Zur gebotenen Ausgangskontrolle, die sicherstellen soll, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingeht, gehört insbesondere ein Abgleich mit dem Fristenkalender und die Prüfung der Eingangsbestätigung des Gerichts.
2. Sieht der Rechtsanwalt davon ab, diese Aufgaben seinem Büropersonal zu übertragen, hat er selbst hierfür Sorge zu tragen.
3. Mit einem Wiedereinsetzungsantrag, in dem lediglich glaubhaft gemacht wird, infolge des Umstandes, dass die Versendung eines Schriftsatzes einen "alltäglichen Routinevorgang" darstelle, an den infolgedessen "keine unmittelbare Erinnerung" mehr besteht, genügt der Rechtsanwalt seiner Darlegungslast nicht.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2589/20) |
Tenor
I. Der Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag des Klägers ihm zur Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3.11.2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3.11.2023 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem ärztlichen Behandlungsfehler während seiner Untersuchungshaft im Jahr 2017 gegenüber dem Beklagten geltend. Es wird insofern auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit dem Klägervertreter am 7.11.2023 zugestellten Urteil vom 3.11.2023 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung nebst PKH-Antrag ist am 7.12.2023 beim Oberlandesgericht zugleich mit einem Gesuch um Fristverlängerung für die Berufungsbegründung eingegangen. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 12.12.2023 ist die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß bis zum 7.2.2024 verlängert worden. Eine Berufungsbegründung ist innerhalb der Frist nicht eingegangen, worauf der Klägervertreter mit Vorsitzendenverfügung vom 15.2.2024 unter Hinweis auf die beabsichtigte Verwerfung hingewiesen worden ist.
Mit Schriftsatz vom 25.2.2025 hat er Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt und zugleich die Berufung begründet; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf die übersandte Berufungsbegründung mit Datum 7.2.2024 verwiesen. Mit anwaltlicher Versicherung werde glaubhaft gemacht, dass sein Prozessbevollmächtigter am 6.2.2024 die Berufungsbegründung erstellt und diese am 7.2.2024 noch einmal durchgesehen und unterzeichnet habe. An die Absendung habe er "keine restlos sichere Erinnerung" mehr, weil es sich hierbei um einen "alltäglichen Routinevorgang" gehandelt habe. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe er die Berufungsbegründung aber am 7.2.2024 am Ende seines Arbeitstages gegen 13:00 Uhr abgesandt.
II. Die Berufung des Klägers war wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen. Die gemäß § 520 ZPO bestimmte zweimonatige Frist lief nach Verlängerung am 7.2.2024, einem Mittwoch, ab. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Eine Nachfrage durch den Senat hat ergeben, dass bis zu diesem Tag weder in der Eingangsgeschäftsstelle noch in der Wachtmeisterei ein der Form des § 130a ZPO entsprechender Schriftsatz des Klägervertreters eingegangen ist. Auch eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften ist nicht erfolgt, unabhängig davon, dass der Klägervertreter sich auf eine technische Unmöglichkeit, die Berufungsbegründung elektronisch einzureichen, nicht berufen hat.
III. Dem Kläger war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar ist die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt. Der Kläger war allerdings nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert, § 233 ZPO. Ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das er sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, hat er nicht ausgeräumt. Den Darlegungen im Wiedereinsetzungsantrag lässt sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten eine Fristen- und Ausgangskontrolle gewährleistet war.
1. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört dabei die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird (st. Rspr.: siehe etwa Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, VersR 2015, 339 Rn. 8; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, VersR 2012, 1009 Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 2015 - III ZB 55/14, NJW 2015, 2041 Rn. 8; vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8 f.;...