Leitsatz (amtlich)
1. Für die Bestimmung der Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall sind nur erwiesene Tatsachen heranzuziehen.
2. Wer sich in den fließenden Verkehr einfädelt, hat die größtmögliche Sorgfalt zu beachten; kommt es gleichwohl zu einem Unfall, streitet der Anscheinsbeweis gegen ihn.
3. Dies gilt nicht, wenn der Einfahrvorgang im Unfallzeitpunkt bereits beendet war; hierbei gehört ein örtlicher Zusammenhang bis zu 12 Metern noch zum Einfahrvorgang.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 1424/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten zu 1 und des Beklagten zu 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Beklagte zu 1 und der Beklagte zu 2 haben Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollten allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Freitag, 28.02.2020, 9.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.043,63 EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.
Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht der Klägerin lediglich eine Haftungsquote von 20 % zugewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch.
Das Landgericht hat zutreffend die nach § 17 StVG geltenden Grundsätze bei der Haftungsverteilung berücksichtigt.
Den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T... folgend ist es zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Unfall für keine der beiden Unfallbeteiligten Seiten unvermeidbar war. Hiergegen wird durch die Berufung der Beklagten auch nichts erinnert, die landgerichtlichen Feststellungen geben insoweit auch keinen Anlass zu Beanstandungen. Der Sachverständige hat den Geschehensablauf alternativ mit Sichtverdeckung (so von der Klägerin behauptet, aber nicht bewiesen) und ohne Sichtverdeckung (so beklagtenseits reklamiert) gewürdigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass jeweils für beide beteiligten Fahrer die Kollision bei sofortiger Reaktion vermeidbar gewesen wäre, wie im Falle der Sichtbehinderung für die Klägerin allerdings nur knapp (Seite 12 des Gutachtens vom 17.01.2019, Bl. 60 d. A.). Da der Unfall also für beide Seiten nicht unabwendbar war, ist für die Haftungsquoten nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG maßgeblich, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Hierbei zählen aber nur Umstände, die erwiesen sind, sonst bleiben sie außer Ansatz (statt vieler: BGH, NJW 2007, 506; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 17 StVG Rz. 5 m.w.N.). Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Beklagte zu 2) sich trotz dichten Gegenverkehrs versucht hätte, einzufädeln. Umgekehrt ist dem Beklagten der Nachweis einer behaupteten überhöhten Geschwindigkeit der Klägerin ebenso wenig gelungen, denn die Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zum Kollisionszeitpunkt schätzte der Sachverständige auf ca. 31 km/h. Die Beklagten konnten auch nicht nachweisen, dass die Klägerin sich zum Kollisionspunkt verkehrswidrig auf der aus ihrer Sicht gegenüberliegenden Fahrspur befunden hätte. Der Sachverständige führte insoweit aus, dass die Klägerin, die ebenfalls in einem "harmonischen" Linksbogen auf die G...... Straße, allerdings stadtauswärts einfuhr, zwangsläufig auch die Gegenfahrbahn befahren haben musste, sich zum Kollisionszeitpunkt jedoch überwiegend schon auf ihrer Fahrbahn befand. Es bleibt dann dabei, dass der Einfahrende - hier also der Beklagte zu 2), die höchstmögliche Sorgfalt anwenden muss, auch wenn er grundsätzlich auf die Beachtung der Verkehrsregeln durch den fließenden Verkehr vertrauen darf. Zu seinen Lasten streitet im Normalfall ein Anschein (BGH, DAR 11, 696). Zu Lasten der Klägerin wiederum streitet ein solcher Anschein nicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war ihr Einfahrvorgang nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit schon beendet. Von einer Beendigung des Einfahrvorgangs ist dann auszugehen, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 15.08.2007 - 12 U 202/06 - juris, Rz. 10; OLG Köln, Urteil vom 19.07.2005 - 4 U 35/04, jeweils m.w.N. und jeweils nach juris). Dass das bei der Beklagten zu 1) versicherte Fahrzeug sich noch nicht endgültig in den fließenden Verkehr eingefädelt hatte, ergibt sich aus der Kollisionsstellung der Fahrzeuge. Umgekehrt war die Beklagte - wenn auch knapp - bereits eingefädelt. Nach der Rechtsprechung soll ein örtlicher Zusammenhang von zehn bis zwölf Met...