Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 02.11.2020 (1/SVK/027-20) wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt der Antragsgegner. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils selbst.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Vergabeverfahrens ist die Ausschreibung von Bauleistungen zur Installation der Reinstgasversorgung im Rahmen der Baumaßnahme "XXX XXX".

Die EU-Bekanntmachung für das Vergabeverfahren im Rahmen eines offenen Verfahrens datiert vom 25.05.2020. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Im Abschnitt III ("Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben") heißt es unter III. 1.2. ("Teilnahmebedingungen; Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit"):

"Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien:

Die Eignung ist durch Eintragung in die Liste des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) oder Eigenerklärung gem. Formblatt 124 (Eigenerklärungen zur Eignung) nachzuweisen.

Gelangt das Angebot eines nicht präqualifizierten Bieters in die engere Wahl, sind die im Formblatt 124 angegebenen Bescheinigungen innerhalb der gesetzten angemessenen Frist nach Aufforderung vorzulegen. Beruft sich der Bieter zur Erfüllung des Auftrages auf die Fähigkeiten anderer Unternehmen, ist die jeweilige Nummer im Präqualifikationsverzeichnis oder es sind die Erklärungen und Bescheinigungen gemäß dem Formblatt 124 auch für diese anderen Unternehmen auf Verlangen vorzulegen." Derselbe Text findet sich unter III. 1.3. ("Technische und berufliche Leistungsfähigkeit").

Im Vorfeld ihrer Angebotsabgabe beanstandete die Antragstellerin diese Vorgabe nicht. Mit ihrem Angebot vom 23.06.2020 reichte die Antragstellerin auch das am 14.06.2020 von ihrem Geschäftsführer unterschriebene Formblatt 124 ein, worin sie unter der Rubrik "Umsatz des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, soweit er Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind unter Einschluss des Anteils bei gemeinsam mit anderen Unternehmen ausgeführten Leistungen" dreimal "0 Euro" angab. Ferner bestätigte die Antragstellerin mit der Unterschrift ihres Geschäftsführers unter das Formblatt 124 folgende "Angaben zu Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind": "Ich/Wir erkläre(n), dass ich/wir in den letzten fünf Kalenderjahren bzw. dem in der Auftragsbekanntmachung angegebenen Zeitraum vergleichbare Leistungen ausgeführt habe/haben.

Bei einem Teilnahmewettbewerb füge(n) ich/wir meinem/unserem Teilnahmeantrag eine Referenzliste bei.

Falls mein/unser Teilnahmeantrag/Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich/werden wir drei Referenznachweise mit mindestens folgenden Angaben vorlegen: ..."

Ferner bestätigte die Antragstellerin mit dem Formblatt 124 folgende "Angaben zu Arbeitskräften": "Ich/Wir erkläre(n), dass mir/uns die für die Ausführung der Leistungen erforderlichen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Falls mein/unser Teilnahmeantrag/Angebot in die engere Wahl gelangt, werde ich/werden wir die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte gegliedert nach Lohngruppen mit extra ausgewiesenem Leitungspersonal angeben."

Auf Nachforderung des Antragsgegners reichte die Antragstellerin einen Handelsregisterauszug und die Gewerbeanmeldung nach. Daraus war ersichtlich, dass sie ihre Geschäftstätigkeit am 01.08.2019 aufgenommen hatte.

Im Ergebnis der Angebotseröffnung ergab sich, dass das Angebot der Antragstellerin den niedrigsten Preis hatte, gefolgt vom Angebot der Beigeladenen. Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 06.08.2020 gemäß § 134 GWB mit, er beabsichtige den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin könne nicht berücksichtigt werden, weil begründete Zweifel an ihrer Eignung bestünden im Hinblick auf Fachkunde und Leistungsfähigkeit hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit. Die Antragstellerin habe die geforderten Eignungsnachweise entsprechend dem Formular 124 nicht übermittelt. Der Nachweis (des vergleichbaren Umsatzes) der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre sei nicht erbracht worden, da das Unternehmen nach Eintragung in der Gewerbeanmeldung vom 05.08.2020 erst seit dem 01.08.2020 (gemeint war 2019) bestehe bzw. für diese Tätigkeit eingetragen sei.

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 12.08.2020 den Angebotsausschluss als vergaberechtswidrig. Sie habe das Formblatt 124 korrekt ausgefüllt, welches kein Eignungskriterium enthalte, dass die Bieter eine mindestens dreijährige Geschäftstätigkeit aufw...

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