Leitsatz (amtlich)

Vergibt ein öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger in Sachsen die Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen (Notfallrettung und Krankentransport) an einen privaten Unternehmer, so unterliegt dies dem Vergaberecht, weil der Leistungserbringer bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht hoheitlich tätig wird und deshalb eine aus Art. 45, 55 EG-Vertrag abzuleitende vergaberechtliche Bereichsausnahme nicht vorliegt.

 

Verfahrensgang

Regierungspräsidium Leipzig (Aktenzeichen 1/SVK/0004-08)

 

Tenor

Die Beschwerde wird gem. § 124 Abs. 2 GWB dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Vergabe von Notfallrettungs- und Krankentransportleistungen.

I. Die Antragstellerin betätigt sich in diesem Bereich als - nicht gemeinnütziges - Unternehmen seit Jahren mit gegenwärtig rund 60 Rettungssanitätern und -assistenten sowie Notärzten. Der Auftraggeber ist ein aus mehreren sächsischen Kommunalkörperschaften zusammengeschlossener R. In seinem Gebiet ist ihm nach § 3 Nr. 3 des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG), welches im Grundsatz mit Wirkung ab dem 1.1.2005 in Kraft und an die Stelle mehrerer Einzelgesetze getreten ist, der bodengebundene Rettungsdienst, also Notfallrettung und Krankentransport als öffentliche Aufgabe (vgl. § 2 Abs. 2 SächsBRKG) zugewiesen; für (einfache) Krankenfahrten gilt das Gesetz nicht.

Die §§ 25 ff. SächsBRKG regeln Einzelheiten zur Organisation des Rettungsdienstes in Sachsen. So erlässt das Staatsministerium des Innern als oberste Rettungsdienstbehörde im Benehmen mit den Aufgabenträgern (etwa den Rettungszweckverbänden) und den Kostenträgern (z.B. den Krankenkassen) einen Landesrettungsdienstplan als Rechtsverordnung. Auf dessen Grundlage stellt der Träger des Rettungsdienstes für den jeweils zugewiesenen Rettungsdienstbereich einen genehmigungsbedürftigen Bereichsplan auf, in dem insbesondere die Anzahl der Rettungswachen, deren Standorte und Einsatzbereiche sowie die Anzahl der Krankenfahrzeuge und der Notarzt-Einsatzfahrzeuge festzulegen sind (§ 26 SächsBRKG). Die notärztliche Versorgung im Rettungsdienst (die nicht Gegenstand des vorliegenden Auswahlverfahrens ist) haben die Krankenkassen und ihre Verbände sowie die Verbände der Ersatzkassen einheitlich und gemeinsam sicherzustellen; bei der Erfüllung dieses Auftrages wirken sie u.a. mit den niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern und den Trägern des Rettungsdienstes zusammen, § 28 Abs. 2 SächsBRKG. Der Aufgabenträger entscheidet nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, ob er die zur Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport benötigten Fahrzeuge selbst anschafft oder durch den Leistungserbringer, d.h. einen mit der Durchführung der Einsatzfahrten zu beauftragenden Dritten anschaffen lässt (§ 29 Abs. 3 SächsBRKG); im vorliegenden Fall stehen die Einsatzfahrzeuge im Eigentum des Antragsgegners. § 31 SächsBRKG, der erst am 1.1.2008 in Kraft getreten ist, bestimmt zur Mitwirkung im Rettungsdienst u.a. Folgendes:

(1) Notfallrettung und Krankentransport dürfen nur auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durchgeführt werden. Der Träger des Rettungsdienstes überträgt die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes nach einem Auswahlverfahren durch öffentlich-rechtlichen Vertrag auf private Hilfsorganisationen oder andere Unternehmer (Leistungserbringer). Die Kostenträger sind im Auswahlverfahren anzuhören; ihnen sind die entscheidungsrelevanten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ihren Vorschlägen soll entsprochen werden; soweit ihren Vorschlägen nicht gefolgt wird, ist dies zu begründen. Im Auswahlverfahren und bei der Auswahlentscheidung kann die Mitwirkung der Leistungserbringer im Katastrophenschutz vorrangig berücksichtigt werden.

(2) Der Vertrag ist auf die Dauer von fünf Jahren zu befristen ...

(3) Das Nähere zum Auswahlverfahren nach Abs. 1 und zur fachlichen Eignung nach Abs. 2 Nr. 3 regelt die oberste Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde im Landesrettungsdienstplan.

(4) Durch den Vertrag ist die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes sicherzustellen. Er hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die

1. die Höhe der Vergütung regeln,

2. die dem Leistungserbringer obliegende Betriebs- und Beförderungspflicht einschließlich der Betriebszeiten näher bestimmen, ...

5. den Leistungserbringer verpflichten, die Beförderungsaufträge und deren Auswirkungen zu erfassen ...

Das Nähere zum Auswahlverfahren hat der Verordnungsgeber durch Verordnung vom 24.1.2008 (SächsGVBl. S. 79) geregelt, mit der in die LandesrettungsdienstplanVO (SächsLRettDPVO) u.a. ein neuer § 12 eingefügt wurde. Dieser lautet:

(1) Die Träger des Rettungsdienstes geben öffentlich bekannt, dass sie ein Auswahlverfahren nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG durchführen wollen. Dabei sind die betroffenen Rettungsdienstbereiche und Rettungswachen sowie die wesentlichen Anforde...

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