Leitsatz (amtlich)

Wird im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses von einer Partei für die andere ein E-Mail account angelegt, darf dieser nach Kündigung des Vertrages solange nicht gelöscht werden, wie nicht feststeht, dass der Nutzer für die auf dem account abgelegten Daten keine Verwendung mehr hat. Die Verletzung dieser Pflicht kann einen Schadensersatzanspruch auslösen.

 

Normenkette

BGB § 280; StGB § 274 Abs. 1 Nr. 1, § 303a

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Beschluss vom 11.06.2012; Aktenzeichen 01 O 540/12)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Leipzig vom 11.6.2012 abgeändert und dem Antragsteller ratenlose Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H., Dresden, für folgenden Klageantrag bewilligt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die vom Beklagten erbrachten Kurierleistungen im Monat Mai 2011 zu erteilen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden, der diesem durch einen vom Beklagten schuldhaft verursachten Verlust von Daten aus der Löschung des E-Mail accounts xxx@xxx. de entstanden ist, zu ersetzen.

II. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller war in der Zeit vom 7.3. bis 24.5.2011 als Fahrradkurier für den vom Antragsgegner betriebenen Fahrradkurierdienst Q. tätig. An Weisungen war er in dieser Zeit nicht gebunden, seine Arbeitszeit war nicht eingeschränkt, über die Annahme von Aufträgen durch die Zentrale konnte er eigenverantwortlich entscheiden. Nach Ziff. IV Nr. 1 des zwischen den Parteien geschlossenen "Transportvertrages" erhielt er für die Dauer der Vertragslaufzeit ein iPhone nebst Zubehör. Dieses forderte der Antragsgegner nach Beendigung der Zusammenarbeit heraus, was der Antragsteller verweigerte. Mit Schreiben vom 17.7.2011 (K 1) stellte der Antragsgegner daraufhin dem Antragsteller "die unberechtigt einbehaltenen und damit gestohlenen Gegenstände" in Rechnung. Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner habe sich in gleicher Weise auch gegenüber Dritten geäußert und vertritt die Auffassung, er werde hierdurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Des weiteren sei der Antragsgegner verpflichtet, ihm für den Monat April 2011 noch einmal und für Mai 2011 erstmals Auskunft über den Umfang der von ihm erbrachten Kurierleistungen zu erteilen und festzustellen, dass der Antragsgegner zur Herausgabe der sich nach Auskunft ergebenden Beträge verpflichtet ist sowie des weiteren sämtliche auf dem an ihn vermieteten E-Mail Account vorhandenen Daten an ihn herauszugeben. Das LG hat es abgelehnt, dem Antragsteller für die o.a. Anträge Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ausgeführt, der Antragsgegner habe bereits nicht konkret vorgetragen, wann die behaupteten Äußerungen gegenüber Dritten gefallen seien. Auskunft über die erbrachten Kurierfahrten, die er selbst erbracht habe, könne er nicht verlangen. Für einen Feststellungsantrag fehle es an einem Feststellungsinteresse. Auch einen Anspruch auf Herausgabe der auf dem Account gespeicherten Daten könne er nicht geltend machen, nachdem er mehrfach von dem Antragsgegner aufgefordert worden sei, sich deswegen mit ihm in Verbindung zu setzen, hierauf jedoch nicht reagiert habe.

Der sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat das LG nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde des bedürftigen Antragstellers (ASt.) hat Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses und zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Die weiter gehende Beschwerde bleibt ohne Erfolg. 1. Dem ASt. steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob sich dem Vorbringen die hinreichend konkrete Behauptung entnehmen lässt, der Antragsgegner (Ag.) habe sich auch gegenüber Dritten in einer dem Schreiben vom 17.7.2011 vergleichbaren Weise geäußert.

Eine solche Äußerung müsste der ASt. nämlich hinnehmen. Die Äußerung, der ASt. habe die ihm überlassenen Gegenstände "unberechtigt einbehalten und damit gestohlen" enthält zum einen die - unstreitig wahre - Behauptung, der ASt. habe diese Gegenstände nach Vertragsschluss entgegen Ziff. IV Nr. 1 ("während der gesamten Vertragslaufzeit") nicht wieder herausgegeben. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung, er habe diese "gestohlen" ist hingegen als Meinungsäußerung außerhalb des Bereichs der Schmähkritik einem Unterlassungsanspruch entzogen. Die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevant ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht als Tatsachenbehauptung anzusehen (BGH VersR 2005, 277; NJW 1982, 2246). Enthält eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff, deutet dies zunächst darauf hin, dass sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung aufzufassen ist (BGH NJW 2005, 280, 282). Anders ist dies lediglich dann, wenn...

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