Leitsatz (amtlich)
§ 58 Abs. 2 S. 2 GKG ist verfassungskonform einschränkend auszulegen wie folgt:
Soweit einem Kostenschuldner, dem … durch einen vor Gericht abgeschlossenen Vergleich … die Kosten auferlegt sind, die Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, soll die Haftung des anderen Kostenschuldners nicht geltend gemacht werden.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 5 O 4302/99) |
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägers und Berufungsführers wird der Kostenansatz in der Berufungssache ….. gegen …. vom 6.2.2001 geändert:
Der Kläger hat von den gerichtlichen Kosten und Auslagen zu tragen 274,25 DM.
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Vermögensübernahme auf Bezahlung von Verbindlichkeiten ihres Sohnes in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Beklagten ist für die Verteidigung dagegen Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6.12.2000 haben die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet. Danach tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits (Bl. 115 d.A.). Die Kostenbeamtin hat mit Kostenansatz vom 6.2.2001 (Kostenrechnung vom 22.6.2001, KSB … über 822,75 DM, vgl. vor Bl. 1 d.A.) die gesamten Gerichtskosten der Berufungsinstanz vom Kläger eingefordert. Dagegen richtet sich dessen mit Schriftsatz vom 20.7.2001 (Bl. 174 d.A.) eingelegte Erinnerung.
II. Die Erinnerung hat Erfolg.
Der Kläger haftet auch als Anlassschuldner nur für diejenige Quote der Kosten, die ihm im gerichtlichen Vergleich auferlegt ist, nämlich 1/3. 1/3 von 822,75 DM (Summe der Gerichtskosten 2. Instanz) sind 274,25 DM.
1. Wortlaut von § 58 Abs. 2 S. 2 GKG i.V.m. § 54 Ziff. 2 GKG
Der Kläger hat gegen das Landgerichtsurteil Berufung eingelegt und haftet damit als Veranlasser des zweitinstanzlichen Verfahrens gem. § 49 GKG für dessen gerichtliche Kosten. Daran hat sich grundsätzlich nichts dadurch geändert, dass die Beklagte im Vergleich vom 6.12.2000 2/3 der Gerichtskosten übernommen hat, denn der Kläger haftet subsidiär weiter für die vollen Kosten, für den Fall, dass die Kostenquote des Vergleichsschuldners nicht beigetrieben werden kann, § 58 Abs. 2 GKG. Das soll nach dem Wortlaut des Gesetzes auch denn gelten, wenn die Beklagte Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt erhalten hat. Dann kann zwar das Gericht von der Beklagten keine Kosten erstattet verlangen, auch wenn die Beklagte durch Urteil, Beschluss oder Vergleich einen Teil oder die ganzen Gerichtskosten zu tragen verpflichtet ist, § 122 ZPO. Würde der Justizfiskus nun den Kläger oder Berufungskläger in solchen Fällen gem. § 49 GKG als Anlassschuldner für alle Gerichtskosten in Anspruch nehmen, also über die Quote hinaus, die er nach Urteil, Beschluss oder Vergleich zu tragen hat, würde man ihm erlauben müssen, gem. § 123 ZPO diesen überschießenden Teil der Gerichtskosten als Auslage von der Beklagten zu verlangen, mit der Folge, dass sie trotz Prozesskostenhilfe Gerichtskosten bezahlen müsste, zwar nicht direkt an den Justizfiskus, aber mittelbar über den Gegner.
2. Die verfassungskonforme Auslegung
Das kann nicht richtig sein. Das Gesetz selbst hat das auch so gesehen und für die Fälle, in denen der Prozesskostenhilfeberechtigte durch Urteil oder Gerichtsbeschluss zur Kostentragung verpflichtet wurde (Entscheidungsschuldner), davon abgesehen, diesen Teil der Gerichtskosten vom Anlassschuldner zu verlangen, § 58 Abs. 2 S. 2 GKG i.V.m. § 54 Ziff. 1 GKG. Nur für den Fall, dass der Prozesskostenhilfeberechtigte sich in einem außergerichtlichen oder in einem gerichtlichen Vergleich zur Übernahme von Gerichtskosten verpflichtete, hat der Gesetzgeber des Gerichtskostengesetzes befürchtet, die Prozessparteien würden sich auf Kosten der Prozesskostenhilfe vergleichen, dem Prozesskostenhilfeberechtigten also eine höhere Kostenquote im Vergleich auferlegen als von der Sache her gerechtfertigt wäre. Deswegen soll dem Justizfiskus erlaubt sein, den Anlassschuldner wegen der vollen Gerichtskosten in Anspruch zu nehmen, auch wenn der Gegner Prozesskostenhilfe erhalten hatte, § 58 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 54 Ziff. 2 GKG.
Dieses Misstrauen mag berechtigt sein, wenn die Parteien sich außergerichtlich einigen oder wenn die Partei mit Prozesskostenhilfe durch einseitige Erklärung Kosten übernimmt. Das Misstrauen ist aber unberechtigt, wenn die Parteien mit gerichtlicher Vermittlung einen Vergleich schließen. In diesem Fall wachen diejenigen, die der Staat selbst mit der Konfliktregelung betraut, darüber, dass der Vergleich interessengerecht ist, auch in der Kostenregelung. Gleichwohl von gesetzeswegen zu unterstellen, das Gericht werde an einer Kostenregelung zu Lasten des Justizfiskus mitwirken, ist durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt. Der Staat verpflichtet den Vorsitzenden im Zivilprozess, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht zu sein, § 279 ZPO. Es ist hinterhältig, dem prozesskostenhilfeberec...