Leitsatz (amtlich)
Auf die Anhörung des Beschuldigten vor Bestellung eines Pflichtverteidigers kann nur in Ausnahmefällen verzichtet werden.
Tenor
1.
Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird die Verfügung des Vorsitzenden der I. Jugendkammer des Landgerichts Bautzen vom 26. März 2007 aufgehoben, mit der dem Beschuldigten Rechtsanwalt Ho als Pflichtverteidiger bestellt wurde.
2.
Dem Beschuldigten wird auf seinen Antrag Rechtsanwalt Hü als Pflichtverteidiger beigeordnet.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Der Beschwerdeführer wurde am 20. März 2007 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bautzen vom selben Tage in Haft genommen. Als er bei der Haftbefehlseröffnung vom zuständigen Amtsrichter gefragt wurde, ob er für den Fall einer Beiordnung eines Pflichtverteidigers einen Verteidiger kenne, erklärte er, dass er keinen Strafverteidiger kenne und daher auch keinen benennen könne. Am 26. März 2007 hat der Vorsitzende der Jugendkammer des Landgerichts Bautzen dem Beschwerdeführer gemäß § 141 Abs. 4 StPO Rechtsanwalt Ho als Pflichtverteidiger beigeordnet, ohne dem Beschwerdeführer gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO Gelegenheit zu geben, einen Verteidiger zu benennen. Gegen diese Beiordnung hat sich der Wahlverteidiger des Beschuldigten mit Schreiben vom 03. Mai 2007 gewandt. Mit Beschluss vom 14. Mai 2007 lehnte der Vorsitzende der Jugendkammer des Landgerichts Bautzen die Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung vor.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde des Beschuldigten als unzulässig zu verwerfen, da es vorliegend an einer Beschwer fehle.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist die Beschwerde zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Eine Entpflichtung eines einmal bestellten Pflichtverteidigers ist nur ausnahmsweise möglich. Das ist dann der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis erschüttert ist oder der Pflichtverteidiger mit seiner Entpflichtung einverstanden ist und der neue Verteidiger auf die bis dahin entstandenen Gebühren verzichtet. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Dennoch war vorliegend ausnahmsweise ein Pflichtverteidigerwechsel vorzunehmen. Dies ergibt sich aus mehreren Erwägungen:
Das Landgericht hat § 142 Abs. 1 Beschuldigten Gelegenheit gegeben einer vom Vorsitzenden bestimmten zu benennen, nicht beachtet. Zwar keine unabdingbare Verpflichtung, hen grundsätzlich im Rahmen der Fürsorgepflicht zu beachten. Denn § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO ist Ausfluss des Rechts auf ein faires Verfahren und konkretisiert das zu beachtende Interesse des Beschuldigten, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden. Gründe, warum vorliegend keine Fristsetzung erfolgt ist, sind nicht ersichtlich. Auf eine Fristsetzung kann allenfalls dann verzichtet werden, wenn aufgrund besonderer Eile eine Fristsetzung mit Erklärungsmöglichkeit zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung führen würde. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da hier aufgrund der gerade erfolgten Inhaftierung eine Verzögerung des Verfahrens nicht zu erwarten war. Auch der Umstand, dass der Beschuldigte vor dem Ermittlungsrichter erklärt hatte, er kenne keinen Strafverteidiger und könne daher keinen benennen, rechtfertigt das hier gewählte Vorgehen nicht. Denn diese Aussage des nicht vorbelasteten Beschuldigten - quasi aus dem Stand - macht seine Anhörung nicht entbehrlich. Es war nach den Umständen nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sein Vorschlagsrecht gekannt hat, aber darauf verzichten wollte (vgl. BGH NJW 2001, 237). Im Übrigen dürfte der Beschuldigte während seines Aufenthaltes in der Justizvollzugsanstalt genug Gelegenheit gehabt haben, Verteidiger zu informieren, den er dann in einer ihm gesetzten angemessenen Frist hätte benennen können.
Für die Entpflichtung von Rechtsanwalt Ho fiel bei der Abwägung darüber hinaus ins Gewicht, dass sich das Verfahren noch im Ermittlungsstadium befindet, eine Verzögerung durch den Pflichtverteidigerwechsel nicht eintritt und Rechtsanwalt Hü auf die bis dahin entstandenen Gebühren verzichtet hat. Er hat an der ergänzenden Beschuldigtenvernehmung sowie an der Haftprüfung teilgenommen und hat offensichtlich Aktenkenntnis. Zudem verteidigt Rechtsanwalt Hü den Beschwerdeführer in dem dazuverbundenen Verfahren (Az.: 233 Js 4202/07; Bl. 832 d.A.).
Nach alledem war hier ausnahmsweise ein Fflichtverteidigerwechsel vorzunehmen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2571045 |
StRR 2007, 305 |