Leitsatz (amtlich)

  • 1.)

    Die zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht erteilten Weisungen nach § 68 b Abs. 1 StGB sind wegen der Strafbestimmung des § 145 a StGB genau zu bestimmen. Erst die genaue Bestimmung des verbotenen oder verlangten Verhaltens gibt dieser Strafnorm, für die die Weisungen die Funktion einer Blankettausfüllung haben, die hinreichenden Konturen und gewährleisten ihre Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG. Die Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes begründet die Rechtswidrigkeit einer Weisung.

  • 2.)

    Die Amtsaufklärungspflicht der Strafvollstreckungskammer verlangt die Feststellung konkreter Anknüpfungstatsachen zur sachgemäßen Ausgestaltung der Führungsaufsicht. Bei ihrer Entscheidungsfindung hat die Kammer im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung eine strenge Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen.

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Entscheidung vom 26.07.2007; Aktenzeichen 2 StVK 216/06)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstrekkungskammer des Landgerichts Zwickau mit dem Sitz in Plauen vom 26. Juli 2007 aufgehoben.

  • 2.

    Die Sache wird zur erneuten Durchführung des Verfahrens und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, auch über die Kosten dieser Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 09. März 2007 hatte die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass bei dem Beschwerdeführer nach Vollverbüßung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren kraft Gesetzes Führungsaufsicht eintritt, weil eine der zugrundeliegenden Einzelfreiheitsstrafen mehr als ein Jahr betrug und wegen einer vorsätzlichen Sexualstraftat verhängt worden war. Zugleich hat die Strafvollstreckungskammer die Führungsaufsicht inhaltlich ausgestaltet; die Entscheidung ist seit dem 27. März 2007 rechtskräftig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 26. Juli 2007 hat die Strafvollstreckungskammer nachträglich die Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht erweitert. Sie hat dem Beschwerdeführer verboten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und ihn angewiesen, sich auf Aufforderung seiner Bewährungshelferin "auf eigene Kosten Suchtmittelkontrollen zu unterziehen" und ihr das Ergebnis mitzuteilen. Darüber hinaus soll sich der Beschwerdeführer mindestens zweimal monatlich in "die Behandlung einer Beratungs- oder Behandlungsstelle für suchtkranke Menschen" begeben und "sofern die Behandlungsstelle eine Langzeittherapie für erforderlich hält, diese aufnehmen" und solange beizubehalten, "wie dies aus der Sicht der Therapeuten erforderlich" ist.

Mit seinem aufgrund fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Rechtsmittel wendet sich der Betroffene gegen die seiner Ansicht nach bestehende Unangemessenheit der Weisungen. Er könne angesichts eines monatlichen Einkommens in Höhe von nur 345,00 EUR (ALG II) und Verpflichtungen von über 80,00 EUR pro Monat nicht auf eigene Kosten Suchtmittelkontrollen durchführen lassen. Im Übrigen strebe er bereits eine Langzeittherapie an und gehe zur Suchtberatung.

II.

Die (einfache) Beschwerde des Verurteilten ist zulässig.

1.

Das Rechtsmittel ist entgegen der fehlerhaften Belehrung der Strafvollstreckungskammer nicht fristgebunden, §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 1 StPO. Soweit die Strafvollstreckungskammer vorliegend eine Abhilfeentscheidung unterlassen hat, steht dies der sofortigen Entscheidung des Senats über die Beschwerde nicht entgegen, da die Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung darstellt und der Senat an einer Entscheidung auch nicht aus tatsächlichen Gründen gehindert ist (Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 306 Rdnr. 10).

Nach § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann das Rechtsmittel nur darauf gestützt werden, dass eine Anordnung gesetzeswidrig sei. Daher bestimmt die Vorschrift ein nur eingeschränktes Nachprüfungsrecht des Beschwerdegerichts. Auf den Vortrag des Beschwerdeführers kommt es nicht an. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass Beschwerden gegen Gerichtsbeschlüsse gar keines Begründungsvortrags für ihre Zulässigkeit bedürfen.

Von Amts wegen ist die Gesetzmäßigkeit der Weisungen zu prüfen. Dabei liegt die Rechtswidrigkeit einer Anordnung vor, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, oder wenn sie sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (vgl. Fischer in KK-StPO 5. Aufl. § 453 Rdnr. 13; Meyer-Goßner § 453 Rdnr. 12; Pfeiffer StPO 4. Aufl. § 453 Rdnr. 5, jeweils m.w.N.). Ansonsten verbleibt es bei dem Grundsatz, die mit Führungsaufsichtsanordnungen verbundenen Ermessensentscheidungen der ersten Instanz zu überlassen (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2000, 500 m.w.N., dort zu Bewährungsanordnungen).

2.

Gemessen hieran hat die Nachtragsentscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 26. Juli 2007 keinen Bestand.

a)

Mit der seit dem 18. April 2007 geltenden Neufassung des (nach wie vor abschließenden, weil strafbewehrt -§ ...

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