Leitsatz (amtlich)
1. Die verweigerte Anordnung einer beantragten Auslandszustellung kann mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden.
2. Soll eine einstweilige Verfügung ins Ausland zugestellt werden, so ist im Anwendungsbereich der EuZustVO eine Parteizustellung nur unter den Voraussetzungen des Art. 15 EuZustVO möglich. Liegen diese nicht vor, ist eine Zustellung durch das Gericht vorzunehmen.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 2 O 1227/18 EV) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 02.10.2018 - Az.: 2 O 1227/18 EV - aufgehoben.
2. Das Landgericht wird angewiesen, die Zustellung an die Antragsgegnerin nach Maßgabe der EuZustVO zu bewirken.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I. Der Antragsteller hat vor dem Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin erwirkt, gerichtet auf Untersagung der Sperrung oder Löschung eines vom Antragsteller auf www.XXX.com geposteten Inhalts. Seinen Antrag, die einstweilige Verfügung am Geschäftssitz der Antragsgegnerin in Irland zuzustellen, hat das Landgericht abgelehnt. Es hat gemeint, der Kläger müsse die Zustellung selbst im Parteiwege vornehmen, was sich aus § 1068 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 14 EuZustVO ergebe. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde vertritt der Antragsteller die Auffassung, es sei die Verpflichtung des Gerichts, die Zustellung als Übermittlungsstelle nach Art. 2 Abs. 2 EuZustVO vorzunehmen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar handelt es sich bei einem Zustellungsersuchen ins Ausland um einen Justizverwaltungsakt. Hierunter fallen Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts und des Zivilprozessrechts (Bader/Funke-Kaiser/Stuhlvauth/von Albedyll, VwGO 7. Aufl. 2018, § 40 Rz. 101). Die Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit ist den ordentlichen Gerichten gemäß der §§ 23, 25 EGGVG übertragen (Bader, a.a.O. Rz. 100). Auch im Anwendungsbereich der EuZustVO ist die Ausführung der Zustellung Angelegenheit der Justizverwaltung und würde danach nicht zum Bereich der Rechtsprechung gehören, sondern zum Bereich der Justizverwaltungsakte bezüglich derer ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung zum OLG nach den §§ 23 ff. EGGVG zulässig wäre (Zöller-Geimer, ZPO 32. Aufl. § 183 Rz. 48; 51 f.). Allerdings ist die Anordnung der Auslandszustellung nach § 183 ZPO als solche ein Rechtsakt, denn sie erfolgt in richterlicher Unabhängigkeit (vgl. BGH, U. v. 14.6.1983, RiZ 2/83 - juris; Wieczorek/Schütze, ZPO 4. Aufl. Bd. 3, vor §§ 183, 184 Rz. 49 m.w.N.). Soll die Auslandszustellung - wie hier - im Parteibetrieb erfolgen, findet § 183 ZPO über die Verweisungsnorm des § 191 ZPO in der Weise Anwendung, dass auch hier - anders als nach § 192 ZPO - die Partei einen Antrag an den Vorsitzenden des Prozessgerichts zu stellen hat mit dem Ersuchen zur Auslandszustellung (Zöller/Stöber, ZPO, a.a.O. § 191 Rz. 4 und § 183 Rz. 55; Wieczorek/Schütze, a.a.O. vor §§ 183, 184 Rz. 24). Ein solcher Antrag ist vorliegend erfolgt. Wenn das Gericht aber nicht nur als bloße Übermittlungsstelle tätig wird (hierzu sogleich unten unter 2.), sondern die vorgelagerte Entscheidung über das Ob und Wie der Auslandszustellung trifft, handelt es sich um einen richterlichen Akt, so dass es geboten erscheint, der sich hiergegen wehrenden Partei die Möglichkeit der Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu eröffnen (so ausdrücklich Zöller-Geimer, a.a.O. § 183 Rz. 55).
Damit ist die Beschwerde statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und mithin zulässig.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hätte den Antragsteller nicht auf eine Parteizustellung im Ausland verweisen dürfen.
a) Innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme von Dänemark) erfolgt die Zustellung eines Vollstreckungstitels auf der Grundlage der EuZustVO, der der Vorrang gegenüber § 183 ZPO gebührt, § 183 Abs. 1 ZPO. Die EuZustVO bietet vier Wege für die Zustellung von Schriftstücken; die förmliche Zustellung (Art. 4 - 11 EuZustVO), die Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen (Art. 12 EuZustVO), die Zustellung durch Postdienste (Art. 14 EuZustVO) und die unmittelbare Zustellung (Art. 15 EuZustVO). Diese Zustellungsarten stehen gleichrangig nebeneinander (EuGH NJW 2006, 975 - Plumex/Young Sports NV in Bezug auf die Zustellung vAw; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. März 2017 - I-15 U 67/16 -, Rn. 63, juris; Heß NJW 2001, 15; Stadler IPrax 2001, 514). Gemäß Art. 14 EuZustVO, auf den das Landgericht seine ablehnende Entscheidung gestützt hat, steht es jedem Mitgliedsstaat frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienst, per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen. Diese Ermächtigung betrifft allerd...