Leitsatz (amtlich)
Zuständigkeit des Gericht des ersten Rechtszuges für die Neufestsetzung einer Strafe nach Art. 316p, 313 Abs. 3 und 4 EGStGB.
Normenkette
EGStGB §§ 313, 316p; StPO §§ 458, 462, 462a
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 06.02.2024; Aktenzeichen DL II StVK 206/22) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz vom 6. Februar 2024 aufgehoben.
II. Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht Leipzig hat den Beschwerdeführer am 13. Mai 2022 (Az. 211 Ds 107 Js 41424/19) des vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in drei Fällen für schuldig befunden.
a) Wegen des vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (in einem Fall) hat es ihn unter Einbeziehung der (Einsatz-)Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 6. Dezember 2019 (Az. 273 Ds 37 Js 56873/19 jug) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Der einbezogenen einjährigen Freiheitsstrafe lag die Feststellung zugrunde, der Beschwerdeführer habe mit seinem gesondert verfolgten Mittäter mit Betäubungsmitteln Handel getrieben, wobei er an zwei Personen jeweils circa 1 g Marihuana für 10,- EUR verkauft habe; zusätzlich hätten sie 4,5 g zum Zwecke des Weiterverkaufs in einem Depot und in der Geldbörse aufbewahrt. Ausweislich der Gründe des amtsgerichtlichen Urteils vom 13. Mai 2022 übte der Verurteilte am 12. Februar 2019 gegen 14.30 Uhr den Besitz über 0,61 g Marihuana durchschnittlichen Wirkstoffgehalts aus; hierfür hat das Amtsgericht Leipzig eine Einzelstrafe von einem Monat Freiheitsstrafe verhängt. Weiter ist der Beschwerdeführer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 3. Dezember 2019 - Beisichführen von 0,43 g Haschisch, 1,42 g Marihuana, fünf Ecstasy-Tabletten und 0,88 g Methamphetamin (Crystal) im Besucherraum der Justizvollzugsanstalt zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs - zu der Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden.
b) Die wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig vom 8. März 2021 (Az. 211 Cs 101 Js 8276/21) im selben Urteil verhängte weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Monat und drei Wochen ist bereits vollständig vollstreckt.
2. Mit Beschluss vom 10. August 2022 hat das Landgericht Chemnitz - Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln - nach Vollstreckung von mehr als zwei Dritteln der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten den Strafrest zunächst zur Bewährung ausgesetzt und die Dauer der Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt. Nachdem der Verurteilte innerhalb laufender Bewährungszeit erneut straffällig geworden war, hat die Strafvollstreckungskammer die gewährte Strafaussetzung sodann mit Beschluss vom 6. Februar 2024 widerrufen.
Gegen die dem Verurteilten am 1. März 2024 zugestellte Entscheidung hat er am 8. März 2024 sofortige Beschwerde eingelegt und diese begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3, § 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der Widerrufsentscheidung. Denn die durch das Amtsgericht Leipzig mit der zugrundeliegenden Verurteilung vom 13. Mai 2022 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe, die Grundlage der Widerrufsentscheidung war, muss nach Wegfall einer der Einzelstrafen neu festgesetzt werden.
1. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz - CanG; BGBl. 2024 I Nr. 109 S. 1 ff.) zum 1. April 2024 wurde das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch geändert und Art. 316p EGStGB eingefügt, wonach im Hinblick auf vor dem 1. April 2024 verhängte Strafen nach dem Betäubungsmittelgesetz, die nach dem Konsumcannabisgesetz oder dem Medizinal-Cannabisgesetz nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, Art. 313 EGStGB entsprechend anzuwenden ist.
Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB sieht vor, dass rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, mit Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen werden, soweit sie noch nicht vollstreckt sind. Enthält eine Gesamtstrafe Einzelstrafen im Sinne des Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB und andere Einzelstrafen, so ist die Strafe neu festzusetzen (Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB). So liegt der Fall hier.
Die Strafe wegen des Besitzes von 0,61 g Marihuana am 12. Februar 2019 ist angesichts der geringen Menge (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) mit Inkrafttreten des neuen Rechts (ipso iure) erlassen (Art. 313 EGStGB). Die einmonatige Freiheitsstrafe war allerdings in...