Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, wonach Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer nach § 57 StGB, § 454 StPO stets eines förmlichen und mit Rechtsmittelbelehrung zuzustellenden Beschlusses bedürfen. Dies gilt auch, wenn der Verurteilte sein materiell-rechtlich erforderliches Einverständnis nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB bereits im Vorfeld verweigert hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 2 Ws 276/08).
Verfahrensgang
LG Görlitz (Entscheidung vom 29.04.2020; Aktenzeichen 14c StVK 137/20) |
Tenor
1. Die Verfügung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz - Außenkammern Bautzen - vom 29. April 2020 wird aufgehoben.
2. Es wird abgelehnt, die Vollstreckung der jeweiligen Reste der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Dresden vom 26. April 2018 - Az.: 203 Ls 318 Js 18102/17 - und 21. August 2018 - Az.: 214 Ds 314 Js 25863/18 - zur Bewährung auszusetzen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Verurteilten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Gegen den Verurteilten werden zur Zeit Freiheitsstrafen von zwei Jahren und zwei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 26. April 2018 und von einem Jahr und zwei Monaten aus dem Urteil desselben Gerichts vom 21. August 2018 vollstreckt. Strafende ist auf den 09. August 2021 notiert.
Zur Vorbereitung einer Entscheidung nach § 57 StGB befragte die Justizvollzugsanstalt Bautzen den Verurteilten am 21. April 2020 mittels eines entsprechenden Formulars nach seiner Zustimmung zu einer "etwaigen Strafaussetzung gemäß § 57 Abs. 1 StGB". Diese erteilte der Verurteilte nicht. Die JVA übersandte daraufhin die Akten, versehen mit einer kurzen Stellungnahme, an die Staatsanwaltschaft Dresden, die sie am 24. April 2020 der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz, Außenkammern Bautzen zur Entscheidung gemäß § 57 Abs. 1 StGB vorlegte.
Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat mit Verfügung vom 29. April 2020 "das Verfahren" wegen Fehlens einer materiellen Voraussetzung "eingestellt". Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin am 07. Mai 2020 den Erlass einer förmlichen Entscheidung, was die Kammer jedoch abgelehnt hat.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2020 hat die Staatsanwaltschaft Dresden gegen die Verfügung der Strafvollstreckungskammer vom 29. April 2020 und die Nichtabhilfeentscheidungen vom 11. Mai 2020 und 04. Juni 2020 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass auch bei verweigerter Zustimmung des Verurteilten eine Entscheidung durch förmlichen Beschluss erforderlich sei. Das Landgericht Görlitz hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft die Verfügungen des Landgerichts Görlitz aufzuheben und festzustellen, dass eine förmliche Entscheidung (durch zuzustellenden Beschluss) unerlässlich sei.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 29. April 2020. Über die Strafrestaussetzung zur Bewährung nach § 57 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch bei einer nicht erteilten Zustimmung des Verurteilten von Amts wegen durch förmlichen Beschluss, welcher zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zuzustellen ist (§ 35 Abs. 2 Satz 1 StPO), zu entscheiden (vgl. insoweit grundlegend Senat, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 2 Ws 276/08 -, n.v.). Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, diese Rechtsauffassung zu ändern oder aufzugeben.
1.
Das Rechtsmittel ist als (unbefristete - "einfache") Beschwerde gegen die lediglich durch Verfügung des Kammervorsitzenden getroffene Entscheidung nach § 304 Abs. 1 StPO zu behandeln, nicht hingegen als sofortige Beschwerde gegen eine Kammerentscheidung, § 300 StPO. Die (nach § 78 GVG grundsätzlich als Kollegialgericht konzipierte) Strafvollstreckungskammer hat nämlich - insofern aus der Rechtsauffassung ihres Vorsitzenden allerdings folgerichtig - eine Entscheidung nach § 454 Abs. 1 StPO in der Sache, nämlich über das "Ob" einer Strafrestaussetzung, gerade nicht getroffen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Januar 2001 - 2 Ws 580/00 -; OLG Rostock, Beschluss vom 06. Dezember 2000 - I Ws 462/00 -, m. w. N., juris). Ihr Vorsitzender hat das Verfahren vielmehr ohne Sachprüfung "eingestellt".
Der Zulässigkeit der staatsanwaltschaftlichen Beschwerde steht nicht entgegen, dass die Strafvollstreckungsbehörde durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert ist. Da die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren nicht Partei ist, sondern allgemein die Aufgaben der staatlichen Rechtspflege wahrzunehmen hat, ist sie auch berechtigt, Entscheidungen anzufechten, die nach pflichtgemäßem Ermessen aus ihrer Sicht den Geboten einer geordneten Rechtspflege nicht entsprechen, (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., Vor § 296 Rdnr. 16 m.w.N.).
2.
Die Beschwerde ist begründet. Die Kammer hat aufgrund der Verfügung ihres Vorsitzenden zu Unrecht ...