Leitsatz (amtlich)
1. Dass ein paritätisches Wechselmodell mit wöchentlich wechselnden gewöhnlichem Aufenthalt des betroffenen Kindes nach derzeitiger Rechtslage gegen die Widerstand eines Elternteils nicht gerichtlich angeordnet werden kann, schließt es nicht von vornherein aus, dass das Gericht ein derartiges, von den Eltern in einem vorangegangenen Verfahren vereinbartes und tatsächlich gelebtes Aufenthaltsmodell auch dann aufrechterhält, wenn ein Elternteil es nunmehr abgeändert sehen möchte.
2. In einem solchen Abänderungsverfahren ist anhand des Maßstabs des § 1671 BGB zu prüfen, ob die Fortführung des Doppelresidenzmodells oder die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil allein dem Kindeswohl am besten entspricht.
Verfahrensgang
AG Grimma (Beschluss vom 28.07.2016; Aktenzeichen 2 F 523/13) |
AG Grimma (Beschluss vom 20.07.2016; Aktenzeichen 2 F 523/13) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Grimma vom 20./28.07.2016 - 2 F 523/13 - in Ziffer 1 des Beschlusstenors mit Rücksicht auf die im Termin vom 19.01.2017 geschlossene Elternvereinbarung aufgehoben.
Danach üben die Beteiligten die elterliche Sorge für ihren Sohn J. H., geboren am xx. xx. 2001, einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit der Maßgabe gemeinsam aus, dass J. seinen gewöhnlichen Aufenthalt im wöchentlichen Wechsel im Haushalt der Mutter und im Haushalt des Vaters hat.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den vorgenannten Beschluss wird zurückgewiesen.
3. Die Gerichtsgebühren des zweiten Rechtszugs trägt der Antragsgegner; die übrigen Gerichtskosten werden gegeneinander aufgehoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten, die seit August 2012 getrennt sind, streiten um den gewöhnlichen Aufenthalt ihrer Kinder J. (geboren am xx. xx. 2001) und L. H. (geboren am xx. xx. 2007), für die sie kraft Sorgeerklärungen die gemeinsame elterliche Sorge ausüben. Im Rahmen eines Vorverfahrens (2 F 464/12 AG Grimma) haben sie eine Elternvereinbarung geschlossen, wonach sie die Betreuung der Kinder im wöchentlichen Wechsel beide übernehmen. Die Mutter hat im vorliegenden Verfahren eine Änderung dieses Aufenthaltsmodells im Sinne eines gewöhnlichen Aufenthalts beider Kinder bei ihr (verbunden mit turnusmäßigem Umgang des Vaters) verfolgt, während der Vater die Beibehaltung des Doppelresidenzmodells anstrebt.
Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. dem Antragsgegner und das für L. der Antragstellerin zugesprochen; für die der Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen und die daran geknüpften Schlussfolgerungen des Familiengerichts wird auf die Beschlussgründe (Bl. 411 ff. d.A.) Bezug genommen. Gegen die Entscheidung haben beide Eltern in zulässiger Weise Beschwerde erhoben, mit der sie jeweils ihr erstinstanzliches Ziel (bezogen auf das jeweils andere Kind) weiter verfolgen. Für die dafür angestellten Erwägungen wird auf die jeweiligen Beschwerdebegründungen der Beteiligten und deren ergänzendes Vorbringen im zweiten Rechtszug ebenso wie auf die Stellungnahmen der weiteren Beteiligten verwiesen.
II. Im Hinblick auf J. haben die Eltern im Anhörungstermin vom 19.01.2017 eine Vereinbarung getroffen, nachdem sich J. in seiner Anhörung dafür ausgesprochen hatte, weiterhin im wöchentlichen Wechsel im Haushalt beider Eltern zu leben. Die Eltern haben sich vor diesem Hintergrund darauf verständigt, den Rechtszustand, wie er vor Erlass der amtsgerichtlichen Entscheidung für J. bestanden hatte, einvernehmlich wiederherzustellen und die elterliche Sorge einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit der Maßgabe des vereinbarten Doppelresidenzmodells für J. (wieder) gemeinsam auszuüben. Damit besteht kein Bedürfnis nach einer gerichtlichen Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts des Jugendlichen (mehr), so dass der Senat den Beschluss des Familiengerichts in Ziffer 1 von dessen Tenor aufgehoben und die damit verbundene Rechtsfolge, die auch aus Sicht des Senats unter den gegebenen Umständen dem Kindeswohl von J. gerecht wird, klarstellend festgehalten hat.
Im Hinblick auf L. ist den Eltern hingegen eine Verständigung nicht gelungen, so dass der Senat insoweit den zwischen den Eltern umstrittenen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu regeln hat. Das führt zur Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners, weil das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L. mit Recht der Antragstellerin übertragen hat. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
1. Dabei ist der Beschwerde zuzugeben, dass sich im vorliegenden Fall die Frage, ob das Gericht nach geltender Rechtslage befugt wäre, ein - rechnerisch paritätisches - Wechselmodell, wie es den Vorstellungen des Antragsgegners entspräche, gegen den Willen des anderen Elternteils anzuordnen, möglicher...