Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstablehnung eines Richters

 

Normenkette

ZPO § 48

 

Verfahrensgang

AG Hohenstein-Ernstthal (Aktenzeichen 1 F 782/99)

 

Tenor

Die Selbstablehnung des RiAG …, …, ist nicht begründet.

 

Gründe

Die Selbstablehnung des RiAG … ist unbegründet. Über eine Anzeige des zuständigen Richters, es könne die Besorgnis der Befangenheit bestehen, ist nach den Grundsätzen des § 42 Abs. 2 ZPO zu entscheiden. Danach findet die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit statt, wenn ein Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigender Grund vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die aufgeführten Tatsachen vom Standpunkt eines ruhig abwägenden Verfahrensbeteiligten aus betrachtet geeignet erscheinen, Zweifel an der Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu wecken (BayObLG BayObLGZ 1986, 249 [252 ff.] m.w.N.; BVerfG v. 10.4.1996 – 1 BvR 368/92, NJW 1996, 2022).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt:

Der RiAG … geht in der Selbstanzeige selbst nicht von seiner Befangenheit aus. Auch das vom Richter zum Anlass seiner dienstlichen Äußerung genommene Verhalten der Partei für sich gesehen ist nicht geeignet, seine Ablehnung zu rechtfertigen. Insbesondere die beleidigenden Äußerungen sowie der Umstand, dass angedroht wurde, Strafanzeige gegen ihn zu stellen, kann Zweifel an seiner Unparteilichkeit nicht begründen. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Partei einen ihr unbequemen Richter nicht dadurch ausschalten kann, dass sie ihn beleidigt und mit einer Strafanzeige droht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 42 Rz. 29; OLG München NJW-RR 1988, 1535; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, 766). Zum Amt des Richters gehört es, mit gegen ihn gerichteten beleidigenden Äußerungen umzugehen. Mit dem institutionellen Schutz seiner Unabhängigkeit korrespondiert die Verpflichtung, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit auch dann zu verwirklichen, wenn Einflüsse von außen dies erschweren. Damit soll nicht geleugnet werden, dass beleidigende Äußerungen dem Willen zur Unparteilichkeit und Objektivität zu schaffen machen können. Aufgabe des unabhängigen Richters ist es aber dann, seine unvermeidlichen ersten Reaktionen unter Kontrolle zu bringen und, angeleitet durch die Maßstäbe von Gesetz und Recht, eine innere Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wieder zu gewinnen. Darauf, dass der Richter dazu in der Lage ist, kann und muss vertraut werden. Dieses Verständnis von der Rolle des Richters im Spannungsfeld der Kritik und der Angriffe auf sein Verhalten gehört auch zum Horizont einer objektiven und vernünftig denkenden Partei. Beleidigende Äußerungen vermögen deshalb, auch wenn sie heftig sind, für sich nicht die Besorgnis zu begründen, der Richter werde dem Anliegen der Partei nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen.

… … …

 

Fundstellen

FamRZ 2002, 830

OLG-NL 2001, 255

OLGR-NBL 2002, 210

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