Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer zahnärztlichen Behandlung kann ein Behandlungsfehler nicht bereits dann angenommen werden, wenn Zahnersatz nicht auf Anhieb "sitzt"; dem Zahnarzt ist vielmehr im Rahmen des Zumutbaren Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.
2. Findet sich in den Behandlungsunterlagen kein Hinweis auf derartige Maßnahmen, ist der Patient für seine Behandlung, die Grenze des Zumutbaren sei nach zahlreichen Nachbesserungen überschritten, beweislastet.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 3119/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 24.05.2022, 13.30 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 30.230,99 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld, Rückzahlung des von ihr verauslagten Eigenanteils für eine zahnärztliche Behandlung beim Beklagten und Ersatz der von ihr verauslagten Kosten für Nachbehandlungen wegen einer behaupteten Fehlbehandlung durch den Beklagten im Zeitraum zwischen dem 13.09.2012 bis Dezember 2015.
Zuvor war die Klägerin im Zeitraum Juli 2011 bis August 2012 wegen teilweiser gleicher Beschwerden zur Behandlung in der Zahnarztpraxis N .... Der gegen diese Zahnärztin geführte Rechtsstreit endete vor dem hiesigen Senat unter dem Aktenzeichen 4 U 1110/16 in der Verhandlung vom 17.01.2017 durch Vergleich.
Parallel zur hier streitgegenständlichen Behandlung wurde die Klägerin um Uniklinikum ... einer langwierigen und umfangreichen Funktionsbehandlung bei Prof. J... unterzogen. Nachdem dieser aus seiner und wohl auch aus der klägerischen Sicht zufriedenstellende Ergebnisse erzielt hatte, wurde die Behandlung beim Beklagten fortgesetzt. Wegen der Einzelheiten des Behandlungsablaufs wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens nebst mündlicher Anhörung der Sachverständigen Dr. med. dent. S... die Klage abgewiesen.
Gestützt auf die Ausführungen der Sachverständigen kam es zu dem Ergebnis, der Klägerin sei bereits der Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht gelungen. Selbst aber bei unterstelltem Behandlungsfehler wären die geltend gemachten Nachbehandlungskosten als "Sowieso-Kosten" anzusehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr ursprüngliches Klageziel uneingeschränkt weiterverfolgt. Sie rügt eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung durch das Erstgericht in der Weise, dass das Gericht die Ausführungen der Sachverständigen fehlinterpretiert habe und zu Unrecht von einem noch bestehenden Nachbesserungsrecht des Beklagten im Falle des Vorhandenseins tatsächlicher Mängel ausgegangen war.
Insgesamt habe das Landgericht die Ausführungen der Sachverständigen fehlinterpretiert. Dies gelte auch für die Ausführungen hinsichtlich des Zahnes 17. Zumindest hätte sich angesichts der Ausführungen des Sachverständigen hier weitere Nachfrage bzw. Aufklärungsbedarf ergeben.
Die Klägerin beantragt,
1.) Der Beklagte wird verurteilt, ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes, angemessenes Schmerzensgeld, welches einen Betrag von EUR 6.000,00 nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 25.09.2018 an die Klägerin zu zahlen.
2.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 20.230,99 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 25.09.2018 zu zahlen.
3.) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schäden, welche aus der fehlerhaften Behandlung der Klägerin in der Zeit von Juli 2014 bis Januar 2016 entstanden sind, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.
4.) Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.698,13 (1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert in Höhe von EUR 30.230,99 zuzüglich Postpauschale und Umsatzsteuer) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit freizustellen.
5.) Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Beklagten auferlegt.
Die Beklagte beantragt,
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 22.10.2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vor dem Landgericht verwiesen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Ab...