Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 13.07.2020; Aktenzeichen BSRH 70/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Chemnitz wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 13. Juli 2020 aufgehoben.
2. Der Antrag des Betroffenen auf strafrechtliche Rehabilitierung hinsichtlich seiner Heimunterbringungen vom 03. Juni 1979 bis zum 21. Juli 1982 sowie vom 13. April 1984 bis 28. März 1985 in Spezialheimen (Durchgangsheim "..." in xxx sowie im Jugendwerkhof "..." in yyy) wird als unbegründet zurückgewiesen.
3. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben (§ 14 StrRehaG).
Gründe
I.
Durch vorläufige Verfügung des Rates des Kreises xxx/Referat Jugendhilfe vom 01. Juni 1979 (Verf.-Reg.-Nr. 42/79) und - folgend - durch Beschluss des Jugendhilfeausschusses des Rates des Kreises xxx vom 07. Juni 1979 (Beschl.-Reg.-Nr. 15/79) wurde im Hinblick auf den Antragsteller die Heimerziehung angeordnet. Diese wurde ab dem 03. Juni 1979 im Durchgangsheim ... und ab dem 20. August 1979 bis zum 21. Juli 1982 im Spezialkinderheim "..." vollzogen.
Mit Beschluss des Rates des Kreises xxx - Jugendhilfeausschuss - vom 11. August 1983 (Beschl.-Reg.-Nr. 23/83) wurde hinsichtlich des Betroffenen erneut die Heimerziehung angeordnet, die im Zeitraum vom 13. April 1984 bis zum 28. März 1985 im Jugendwerkhof "..." in yyy vollzogen wurde. Zuvor befand sich der Betroffene seit dem 15. Dezember 1983 zunächst in Untersuchungs- und sodann aufgrund des Urteils des Kreisgerichts xxx vom 24. Februar 1984 (S 17/84), mit dem der Betroffene wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war, in Strafhaft.
Mit Schreiben vom 23. März 2020 hat der Betroffene seine Rehabilitierung für die Unterbringungen in den oben genannten Zeiträumen beantragt.
Mit Beschluss vom 13. Juli 2020 hat die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Chemnitz dem Antrag des Betroffenen stattgegeben und die oben genannten Verfügungen über die Anordnung der Heimerziehung aufgehoben sowie festgestellt, dass die aufgehobenen Entscheidungen rechtsstaatswidrig waren und der Antragsteller zu Unrecht vom 03. Juni 1979 bis zum 21. Juli 1982 sowie vom 13. April 1984 bis zum 28. März 1985 in Spezialheimen untergebracht war. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass der Antragsteller rehabilitiert ist.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft Chemnitz. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Chemnitz den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 13. Juli 2020 aufzuheben und den Antrag des Betroffenen auf Rehabilitierung abzulehnen.
II.
Die zulässig erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft Chemnitz hat Erfolg.
1.
Die durch einen Jugendhilfeausschuss erfolgte Unterbringung in einem Kinderheim bzw. Spezialkinderheim ist grundsätzlich eine im Sinne des § 2 StrRehaG rehabilitierungsfähige Entscheidung über die Anordnung von Freiheitsentzug. Die Tatsache, dass Freiheitsentziehung stattgefunden hat, führt aber nur dann zu einer strafrechtlichen Rehabilitierung, wenn - wie § 2 StrRehaG vorschreibt - auch die sonstigen Voraussetzungen dafür gemäß § 1 StrRehaG gegeben sind. Dies bedeutet, dass Beschlüsse eines Jugendhilfeausschusses nur dann für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben sind, wenn sie mit wesentlichen Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat, ihr sachfremde Erwägungen zugrunde lagen oder die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zum zugrunde liegenden Einweisungsgrund standen (ständige Rechtsprechung; vgl. auch BGH NJW 2015, 1702 ff. m.w.N.). Die jeweils im Einzelfall vorzunehmende Prüfung muss ergeben, dass die konkrete Einweisung sachfremden Zwecken gedient hat (vgl. KG NJ 2007, 424, m.w.N.), wobei nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes allein die jeweiligen behördlichen Entscheidungen einer Überprüfung unterliegen. Nur auf deren Rechtsstaatswidrigkeit kommt es an, so dass lediglich die Gründe für die Anordnung der Heimerziehung maßgeblich für die Rehabilitierungsentscheidung sind, nicht aber die jeweiligen Bedingungen der Unterbringung im Heim (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 16. Juli 2018, - 22 Ws Reha 16/17 - juris).
Nach der durch das 6. Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR eingefügten Vorschrift des § 10 Abs. 3 StrRehaG wird jedoch vermutet, dass die Anordnung der Heimerziehung der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat, wenn eine Einweisung in ein Spezialheim oder eine vergleichbare Einrichtung, in der eine zwangsweise Umerziehung erfolgte, stattfand. Diese Vermutung kann jedoch durch die Feststellung widerlegt werden, dass die Anordnung aus anderen Gründen, wie z.B. Fürsorgeerwägungen, erfolgt ist. Hierzu hat das Gericht positiv festzustellen, die Unterbringung habe nicht auch...