Leitsatz (amtlich)
Liegen die Voraussetzungen des § 1960 i.V.m. § 1960 Abs. 1 BGB vor, muss dem Antrag des Gläubigers auf Bestellung eines Nachlasspflegers auch dann stattgegeben werden, wenn im Nachlass keine ausreichenden Mittel zur Bezahlung des Pflegers vorhanden sind und der Gläubiger eine Vorschussleistung ablehnt.
Verfahrensgang
AG Leipzig (Beschluss vom 26.10.2009; Aktenzeichen 503 VI 2694/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des AG Leipzig - Nachlassgericht - vom 26.10.2009 abgeändert und die Bestellung eines Nachlasspflegers zur Vertretung des Nachlasses gegenüber Ansprüchen der Beteiligten angeordnet. Die Auswahl des Nachlasspflegers bleibt dem Nachlassgericht vorbehalten.
Gründe
A. Die Beteiligte war die Vermieterin der am 12.6.2009 alleinstehend verstorbenen Erblasserin, die offenbar kein Testament und allem Anschein nach auch kein nennenswertes Aktivvermögen hinterlassen hat. Das Nachlassgericht ist derzeit noch mit Nachforschungen nach den gesetzlichen Erben befasst. Es hat in diesem Zusammenhang zwei Kinder einer vorverstorbenen Tante der Erblasserin als mögliche Miterben ausfindig gemacht und unter dem 5.10.2009 angeschrieben. Zum Verbleib des Bruders der Erblasserin, der zu DDR-Zeiten in Thüringen wohnte, gibt es noch keine Erkenntnisse. Mit Schreiben vom 01.10. und 22.10.2009 hat die Beteiligte die Errichtung einer Nachlasspflegschaft beantragt, um die Wohnung räumen lassen, neu vermieten und rückständige Mietzinsansprüche geltend machen zu können. Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat den Antrag mit Beschluss vom 26.10.2009 zurückgewiesen, weil ein die Vergütung und Auslagen des Pflegers deckender Nachlass nicht erkennbar sei. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat.
B. Die Beschwerde hat Erfolg.
I. Das Rechtsmittel unterliegt ebenso wie das nach dem 31.8.2009 eingeleitete Ausgangsverfahren über den Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers dem neuen, im FamFG geregelten Verfahrensrecht, Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG. Daher hat das AG die Beschwerde nach Nichtabhilfe zu Recht dem gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zuständigen OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Da das 4. Buch des FamFG über das Verfahren in Nachlass- und Teilungssachen (§§ 342 ff. FamFG) für den vorliegenden Verfahrensgegenstand keine Sonderregelungen enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 58 ff. FamFG. Danach ist die Beschwerde statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie rechtzeitig und formgerecht beim Ausgangsgericht eingelegt (§§ 63 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG). Die Beschwerdeberechtigung folgt aus § 59 Abs. 1 FamFG; der angegriffene Beschluss verletzt die Beteiligte möglicherweise in ihrem aus § 1961 BGB abzuleitenden Anspruch auf antragsgemäße Anordnung der Nachlasspflegschaft. Ob es sich bei der erstrebten Pflegerbestellung um eine "vermögensrechtliche Angelegenheit" handelt, für die nach § 61 Abs. 1 FamFG der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 600 EUR betragen muss, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese Mindestbeschwer ist nach dem Interesse der Beteiligten an der Bestellung eines Nachlasspflegers, welches sich wertmäßig in ihren gegen den Nachlass geltend zu machenden Forderungen ausdrückt, fraglos überschritten.
III. Die Beschwerde ist begründet.
Zu Recht hat das gem. §§ 1961, 1962 BGB zuständige Nachlassgericht durch die Rechtspflegerin entschieden. Auch nach den im Zuge der FGG-Reform vorgenommenen Änderungen des Rechtspflegergesetzes ist für die die §§ 1960, 1961 BGB betreffenden Verrichtungen der Rechtspfleger zuständig, § 3 Nr. 2c RPflG. Der in dieser Vorschrift enthaltene Vorbehalt zugunsten ausnahmsweise vom Richter wahrzunehmender Geschäfte (§§ 14 bis 19b RPflG) kommt nicht zum Tragen. Denn § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG behält, soweit hier von Bedeutung, die Geschäfte bei einer Nachlasspflegschaft nur dann dem Richter vor, wenn der Erblasser Ausländer war. Das ist hier nicht der Fall.
In der Sache selbst kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, sondern ist unter ihrer Abänderung ein Nachlasspfleger zu bestellen. Der Antrag der Beteiligten ist gem. § 1961 i.V.m. § 1960 Abs. 1 BGB begründet.
1. Das Nachlassgericht hat nicht verkannt, dass alle in §§ 1961, 1960 Abs. 1 BGB bezeichneten Bestellungsvoraussetzungen vorliegen.
Auf die entsprechenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse liegt nicht zuletzt auch deshalb auf der Hand, weil die Beteiligte aufgrund der noch ungeklärten Frage, wer gesetzlicher Erbe ist und die Erbschaft auch antritt, gegenwärtig außerstande ist, das nach wie vor bestehende Mietverhältnis gem. § 564 S. 2 BGB zu kündigen und damit auch materiell-rechtlich überhaupt erst die Grundlage für eine notfalls beabsichtigte Räumungsklage zu schaffen.
2. Abgelehnt hat das Na...