Leitsatz (amtlich)
Der Entscheidung über ein Verfahrenskostenhilfegesuch ist grundsätzlich der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gerichts zugrunde zulegen, wenn alsbald nach Entscheidungsreife über das Gesuch befunden wird. Eine im Verlauf des Verfahrens verschlechterte Erfolgsprognose ist allerdings nicht zu Lasten des bedürftigen Beteiligten zu berücksichtigen, wenn das Gericht bei pflichtgemäßer Verfahrensführung zu einem früheren Zeitpunkt über den Verfahrenskostenhilfeantrag hätte entscheiden müssen.
Verfahrensgang
AG Leipzig (Beschluss vom 22.07.2016; Aktenzeichen 337 F 2312/16) |
Tenor
Die (sofortige) Beschwerde der Antragstellerin vom 25.08.2016 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Leipzig vom 22.07.2016 - 337 F 2312/16 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin hatte mit einem am 07.07.2016 beim AG eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die (vorläufige) Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsame Tochter L., geboren am xx. xx. 2005, auf sich allein begehrt und hierfür Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt. Das Familiengericht hat noch am Eingangstag einen Verfahrensbeistand für das betroffene Kind bestellt und Anhörungstermin auf den 27.07.2016 anberaumt; der Antragsgegner (Kindesvater) erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme im Termin. Am 19.07.2016 ist der Bericht des Verfahrensbeistands beim AG eingegangen. Unter dem Eindruck dieser Stellungnahme, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (vgl. Bl. 19 ff. d.A.), hat das Familiengericht das VKH-Gesuch der Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss, also noch vor dem Anhörungstermin mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Nach Durchführung des Termins hat es auch den Eilantrag in der Sache zurückgewiesen; diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden.
Gegen die Versagung der VKH hat die Antragstellerin in zulässiger Weise (sofortige) Beschwerde erhoben und zu deren Begründung ausgeführt, das Familiengericht sei ursprünglich selbst von einer hinreichenden Erfolgsaussicht des Eilantrags ausgegangen, weil es sonst weder einen Verfahrensbeistand bestellt noch terminiert hätte. Bei dieser Sachlage hätte es über das VKH-Gesuch unverzüglich, jedenfalls vor Eingang des Berichts des Verfahrensbeistands, zugunsten der Antragstellerin befinden müssen. Bei einer späteren Entscheidung komme es ebenfalls auf den Sachstand zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife an. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Familiengericht hat der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe zu Recht nicht bewilligt.
1. Soweit die Beschwerde sich darauf beruft, maßgeblich für die Beurteilung eines VKH-Antrags sei der Zeitpunkt der Entscheidungsreife, teilt der Senat diese Rechtsauffassung jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht. Vielmehr ist Grundlage des Gerichtsbeschlusses - wie jeder gerichtlichen Entscheidung in einer Tatsacheninstanz - im Ansatz der Sach- und Streitstand bei Beschlussfassung (vgl. Zöller/Geimer, 31. Aufl. 2016, § 119 ZPO Rdn. 44 m.w.N.). Das Risiko einer Verschlechterung der Erfolgsaussichten im Verlauf des Verfahrens trägt also grundsätzlich der Antragsteller. Richtig ist allerdings, dass ihm eine pflichtwidrige Verzögerung der Entscheidung über den VKH-Antrag durch das Gericht nicht zum Nachteil gereichen darf. Ist der VKH-Antrag daher zur Entscheidung reif, dann ist das Gericht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens auch gehalten, sie alsbald zu treffen; tut es das nicht und verschlechtert sich dadurch die Erfolgsprognose, so ist dies zugunsten der bedürftigen Partei zu berücksichtigen, so dass insoweit - aber auch nur dann - der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich wird (so im Ergebnis auch BGH NJW 2012, 1964, 1966: Entscheidungsgrundlage ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird).
2. Hieran gemessen ist der angegriffene Beschluss des Familiengerichts nicht zu beanstanden. Von einer unangemessenen oder gar pflichtwidrigen Verfahrensverzögerung des Familiengerichts bei der Entscheidung über das VKH-Begehren kann nicht ansatzweise die Rede sein. Zur Entscheidung reif ist ein solches Gesuch schon erst dann, wenn u.a. der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist dazu zu äußern (BGH a.a.O.). Die Äußerungsfrist für den Antragsgegner war am 22.07.2016 aber noch nicht einmal abgelaufen. Dass das Familiengericht dann aufgrund des zwischenzeitlich eingegangenen Berichts des Verfahrensbeistands und ungeachtet der noch nicht vorliegenden Stellungnahme des Antragsgegners zu dem Schluss gelangt ist, es fehle dem streitbefangenen Eilantrag an der gebotenen Erfolgsaussicht, führt jedenfalls nicht dazu, dass sich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife zurückverlagert hätte.
Auch sonst sind Anhaltspunkte für eine verfahrensfehlerhafte Verschleppung der VKH-Entscheidung nicht ersichtlich (im Gegenteil). Dass die Anhörungsfrist des Antragsgegners mit dem Tag der A...