Leitsatz (amtlich)
1. Die Zustimmung zur Änderung der Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerkes kann wirksam durch Anklicken einer Schaltfläche in einem "pop-up"-Fenster erfolgen; ob eine daneben bestehende Änderungsklausel in den zugrunde liegenden Nutzungsvertrag einbezogen wurde, ist dann ohne Belang. Eine solche Zustimmung ist auch dann nicht als sittenwidrig anzusehen, wenn sie dem Nutzer nur die Alternative lässt, entweder zuzustimmen oder das Nutzungsverhältnis zu beenden (Festhaltung Senat, Beschluss vom 19. November 2019 - 4 U 1471/19).
2. Die pauschale Abwertung bestimmter Personengruppen in dem Post eines sozialen Netzwerkes kann durch den Betreiber, der in seinen Nutzungsbedingungen "Hassrede" verbietet, auch dann gelöscht werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Nutzer sie nicht ernst gemeint hat.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 2216/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 21.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, bei deren sozialem Netzwerk ... sie ein Profil unterhält, die Wiedereinstellung eines von der Beklagten gelöschten Beitrages und die Rückgängigmachung einer 30-tägigen Sperre ihres Nutzerkontos sowie die Feststellung der Rechtswidrigkeit vorgenannter Maßnahmen, Auskünfte über beteiligte Stellen und Behörden sowie Ersatz materieller Schäden bzw. eine Geldentschädigung. Wegen der Einzelheiten des Geschehensablaufs, insbesondere wegen der optischen und inhaltlichen Gestaltung des streitgegenständlichen Beitrags wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel uneingeschränkt weiter.
Sie vertritt die Auffassung, die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, seien nicht wirksam zwischen den Parteien in den Vertrag einbezogen worden, weil der Neuerung der AGB der Beklagten eine unwirksame Änderungsklausel zugrunde liege. Darüber hinaus benachteiligten die streitgegenständlichen Klauseln die Klägerin unangemessen und seien intransparent. Die Beklagte sei nicht berechtigt, unterhalb der Schwelle zulässiger Meinungsäußerung liegende Beiträge zu reglementieren, dementsprechend sei sie weder zur Löschung des streitgegenständlichen Beitrags noch zu hieraus folgenden Sanktionen berechtigt.
Ohnehin sei der streitgegenständliche Beitrag eine zulässige Meinungsäußerung, es handele sich bei dem Schriftbeitrag "Nuke the Cube" um eine sardonische Zuspitzung einer zulässigen Meinung.
Trotz ihrer Leistungsanträge habe die Klägerin ein erhebliches Interesse auch an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Löschung/Sperrung ebenso wie sie ein schützenswertes Interesse daran habe zu erfahren, ob und gegebenenfalls welche Stellen auf die Beklagte ein-, bzw. bei der streitgegenständlichen Löschung und Sperrung mitgewirkt hätten.
Durch das Vorgehen der Beklagten seien der Klägerin immaterielle wie materielle Schäden entstanden, es stünde ihr ein bestimmter Betrag zu, sei es als Geldentschädigung, sei es als fiktive Lizenzgebühr oder aber auf der Grundlage von Art. 82 DS-GVO.
Die Klägerin beantragt,
1. Das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 23.08.2019, Az. 8 O 2216/18, wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass die am 01.06.2018 vorgenommene Sperrung des Profils der Klägerin (https://www....com/d......n......) auf www....com rechtswidrig war.
3. Der Beklagten wird aufgegeben, den nachfolgend wiedergegebenen, am 01.06.2018 gelöschten Beitrag der Klägerin wieder freizuschalten.
((Abbildung))
4. die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin für das Einstellen des in Ziffer 3. genannten Textes auf www....com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gemäß Ziffer 2. durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt, und in letzterem Fall, durch welches.
6. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder Sperrung von Nutzern erhalten hat, und gegebenenfalls welche.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen...