Leitsatz (amtlich)

Zur Führungsaufsicht:

Der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt eine genaue Abstimmung der zu erteilenden Weisungen auf den konkreten Täter, seine Taten und - damit zusammenhängend - auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten. Nur so ist die mit dem Institut der Führungsaufsicht beabsichtigte Sozialisierungshilfe zu gewährleisten. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlaut bei einer Anordnung ohne individuelle Konkretisierung genügt diesen Anforderungen nicht.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 08.01.2008; Aktenzeichen II StVK 454/03)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig mit dem Sitz in Torgau vom 08. Januar 2008 hinsichtlicher der Weisung Nummer 1 Buchstabe c) der Beschlussformel aufgehoben.

    Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.

  • 2.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte; allerdings wird die Gerichtsgebühr um die Hälfte ermäßigt. Die Hälfte der notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer steht seit dem 03. Dezember 2003 unter Führungsaufsicht, die nach vollständiger Verbüßung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel kraft Gesetzes eingetreten war, § 68 f Abs. 1 StGB.

Mit seinem Rechtsmittel wendet sich der Beschwerdeführer gegen die nachträglich ergänzenden Weisungen der Strafvollstreckungskammer, die sie mit ihrem Beschluss vom 08. Januar 2008 angeordnet hat. Darin hat sie dem Beschwerdeführer, der sich gegenwärtig in anderer Sache in Untersuchungshaft wegen des Verdachts erneuten unerlaubten Rauschgifthandels befindet, aufgegeben,

"sich nicht an Orten aufzuhalten, die erfahrungsgemäß Menschen zum Treffpunkt dienen, die illegale Betäubungsmittel konsumieren oder mit illegalen Betäubungsmitteln handeln",

sowie

"sich nach der Haftentlassung 14tätig (gemeint: 14-täglich) im Polizeirevier , , persönlich zu melden".

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hält das Rechtsmittel für unzulässig, weil sie eine Gesetzeswidrigkeit der Weisungen nicht zu erkennen vermag.

II.

Das entgegen der erteilten Rechtsmittelbelehrung der Strafvollstreckungskammer als unbefristete (einfache) Beschwerde zulässige Rechtsmittel ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang erfolgreich.

Nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann die Beschwerde zwar nur darauf gestützt werden, dass eine Führungsaufsichtsanordnung gesetzeswidrig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen oder gemessen am Rechtsstaatsprinzip dem Bestimmtheitsgebot nicht entspricht (vgl. § 68 b Abs. 1 Satz 2 StGB), wenn sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sie die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (vgl. Fischer in KK-StPO, 5. Aufl. § 453 Rdnr. 13; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 453 Rdnr. 12; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 453 Rdnr. 5, jeweils m.w.N.). Ansonsten verbleibt es bei der Regel, die mit Führungsaufsichtsanordnungen verbundenen Ermessensentscheidungen der ersten Instanz zu überlassen (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2000, 500 m.w.N., dort zu Bewährungsanordnungen). Eine Beschwerde wäre dann allerdings unbegründet.

Diese Einschränkung erfasst jedoch nur den Umfang des Prüfungsrechts des Beschwerdesenats, ohne schon die Zulässigkeit des Rechtsmittels in Frage zu stellen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass Beschwerden gegen Gerichtsbeschlüsse für ihre Zulässigkeit grundsätzlich gar keines Begründungsvortrags bedürfen.

Wenngleich die Strafvollstreckungskammer entgegen § 306 Abs. 2 StPO nicht über die Frage einer Abhilfe entschieden hat, hindert dies den Senat jedoch nicht an einer Entscheidung, weil die unterlassene Abhilfeentscheidung nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren ist.

III.

Gemessen hieran ist nur die Weisung Nr. 1 c) als rechtswidrig zu beanstanden und aufzuheben.

Wie der Senat wiederholt betont hat, gebietet bereits das grundlegende Rechtsstaatsprinzip, das in § 68 b Abs. 1 Satz 2 StGB noch einmal klarstellend aufgenommen wurde, die Vorhersehbarkeit, Bestimmtheit und Klarheit von Regelungen gerade bei Maßnahmen im Bereich des Strafrechts. Entsprechend ist das Gericht zur genauen Bestimmung des verbotenen oder verlangten Verhaltens verpflichtet. Dies hat im Hinblick auf § 145 a StGB besondere Bedeutung, weil der Verstoß gegen Weisungen des Maßnahmekatalogs nach §§ 68 b Abs. 1 Satz 1 StGB strafbewährt ist. Erst die genaue Bestimmung gibt diesem Tatbestand, für den die Weisung die Funktion einer Blankettausfüllung haben, die Kontur und gewährleisten seine Vereinbarkeit mit Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz.

Diesem Anspruch genügt die Verpflichtung, "sich nicht an (nicht bezeichneten) Orten aufzuhalten, die erfahrungsgemäß (auf wessen Erfahrung ist abzustellen?) Menschen zum Treffpunkt dienen, die illegale Betäubungsmittel konsumieren oder mit illegalen Betäubun...

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