Leitsatz (amtlich)
Allein die schlüssige Darlegung eines hirnorganischen Primärschadens (hier: mildes posttraumatische brain injury (mTBi) reicht für den Anspruch auf Leistungen aus einer Unfallversicherung nicht aus. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr zusätzlich mit dem Beweismaß des § 287 ZPO beweisen, dass dieser Primärschaden zu einer die Invalidität begründenden psychischen Reaktion geführt hat. Erst im Anschluss hieran muss der Versicherer die Voraussetzungen der "Psychoklausel" beweisen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1117/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 175.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Hinsichtlich des dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung im Hinweisbeschluss vom 04.01.2019 unter Ziffer I. verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zur Begründung nimmt der Senat auf den Hinweisbeschluss vom 04.01.2019 Bezug. Die Ausführungen im Schriftsatz des Klägerinvertreters vom 29.01.2019 geben keine Veranlassung, von der in dem Hinweisbeschluss mitgeteilten Rechtsauffassung abzurücken.
Die Klägerin kann ihre Invaliditätsansprüche nicht auf eine durch den Unfall hervorgerufene Hirnschädigung stützen.
Zwar hat sie - insoweit gemessen an § 286 ZPO - die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und einer ersten Unfallereignisfolge, hier der milden posttraumatischen Brain Insury (mTBI) als Gesundheitsschädigung bewiesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 10.02.2018 (Seite 36f) und in der mündlichen Erläuterung im Termin vor dem Landgericht vom 17.08.2018 (Bl. 135ff dA) ist sicher davon auszugehen, dass das behauptete und von der Klägerin geschilderte Sturzereignis zu einer mTBI geführt hat.
Entscheidend ist aber, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dieser Unfallereignisfolge und der behaupteten Invalidität - gemessen am Maßstab des § 287 ZPO - nicht feststeht (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Urteil vom 10. Mai 2017 - 20 U 89/16 -, Rn. 25 - 30, juris). Der Sachverständige hat sowohl in seinem Gutachten und auch im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht überzeugend ausgeführt, dass mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die bei der Klägerin immer noch vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht auf das geschilderte Sturzereignis und die dadurch eingetretene erste Gesundheitsschädigung zurückzuführen sind. Denn es treten zwar bei den von einer mTBI betroffenen Personen zunächst auch kognitive Beeinträchtigungen und Leistungsminderungen als neuropsychiatrische Folgen auf. Diese gehen aber bei einem sehr hohen Anteil an Patienten (85 - 90 %) innerhalb von bis zu drei Monaten vollständig zurück. Dagegen ist bei einer Persistenz der Symptomatik über mehr als ein Jahr dem Sachverständigen zufolge eine Kausalität zum Unfallereignis aufgrund des zugrundeliegenden biopsychosozialen Krankheitsverständnisses nicht mehr anzunehmen. Dafür dass dies auch bei der Klägerin der Fall gewesen ist, spricht, dass der Sachverständige bei den höheren kognitiven Funktionen in allen Bereichen unauffällige Befunde festgestellt, und auch die bei der Klägerin vorliegenden neuropsychologischen Beeinträchtigungen als unspezifisch beurteilt hat. Zudem wurde dem Sachverständigen zufolge im Krankheitsverlauf eine hohe Fluktuation der neurokognitiven Fähigkeiten beschrieben, was nach seiner Auffassung dafür spricht, dass die fortbestehenden neurokognitiven Defizite nicht auf den Sturz als auslösendes Ereignis zurückgeführt werden können. Bei der Klägerin spiele insbesondere die ausgeprägte kognitive Attributierung, sich bei bestimmten Aufgaben überfordert zu fühlen und ihr daraus abgeleitetes ausgeprägtes Vermeidungsverhalten eine zentrale Rolle für die Aufrechterhaltung der Symptomatik. Dieser Einschätzung entspricht es, dass sich bei der Begutachtung durch den Sachverständigen gerade im Bereich der Aufmerksamkeit deutliche Hinweise auf unplausible Leistungen gezeigt haben. Die von der Klägerin angegebenen ausgeprägten Beeinträchtigungen konnte der Sachverständige auch dem klinischen Eindruck nach nicht nachvollziehen. Im Ergebnis seiner Begutachtung sieht er vielmehr die Kausalität zwischen der Symptomatik und dem Unfallereignis als nicht mehr gegeben an (vgl. Gutachten S. 41). Der Sachverständ...