Leitsatz (amtlich)

Wird das Verfahren im ersten Termin durch Vergleich beendet, kommt die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen säumigen Zeugen nicht mehr in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 3152/19)

 

Tenor

Der Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Leipzig vom 03.09.2020 - 3 O 3153/19 - gegen den Zeugen F ... Z ... wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 03.09.2020 gegen den ordnungsgemäß geladenen Zeugen ein Ordnungsgeld von 200,00 EUR festgesetzt. Dem vorangegangen war eine schriftliche Mitteilung des Arbeitgebers des Zeugen, der ... Autobahn Services GmbH & Co. KG, ihr und ihren Mitarbeitern lägen keine sachdienlichen Kenntnisse zu dem vom Landgericht vorgegebenen Beweisthema vor.

Das Landgericht hat hierin keine hinreichende Entschuldigung gesehen und den ausgebliebenen Zeugen mit einem Ordnungsgeld belegt.

Mit seiner Beschwerde macht der Zeuge geltend, sein Erscheinen sei ohnehin nicht erforderlich gewesen, da der Rechtsstreit ohne Verzögerung auch ohne seine Aussage beendet worden sei.

II. Die statthafte und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass der Zeuge sein Ausbleiben im Termin nicht hinreichend entschuldigt hat. Es geht weiter zutreffend davon aus, dass im Grundsatz § 380 ZPO dem Gericht keinen Ermessensspielraum einräumt. Die Aufhebung des Ordnungsgeldes hatte aber zu erfolgen, weil das Ausbleiben des Zeugen sowohl für die Parteien als auch das Gericht keine nachteilige Wirkung hatte, denn das Verfahren ist im ersten Termin durch Vergleich beendet worden. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob in einem solchen Fall dennoch die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 380 ZPO zu erfolgen hat (so Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 380 Rz. 4 m.w.N.; OLG Frankfurt, OLGZ 83, 458, 460; anderer Ansicht OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.06.1972 - 13 Ws 73/72; Thomas/Putzo-Reichhold, ZPO, 41. Aufl., § 380 Rdnr. 9; Musielak-Huber, ZPO, 17. Aufl., § 380 Rz. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 10.08.2012 - I-20 W 27/12; OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.08.2016 - 8 W 62/16). Der Senat folgt letztgenannter Auffassung, welche auch höchstrichterlich ihre Bestätigung findet (BGH, Beschluss vom 12.06.2007 - VI ZB 4/07 m.w.N.). Zwar ist der Gegenauffassung zuzugeben, dass die Entscheidung über die Verhängung eines Ordnungsgeldes bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich nicht im Ermessen des Gerichtes steht. Die Vorschrift ist allerdings kein Selbstzweck. Die öffentlich-rechtliche Pflicht des Zeugen, auf eine Ladung hin bei Gericht zu erscheinen soll gewährleisten, dass die Parteien von den ihnen zur Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung gestellten Verfahren wirkungsvoll Gebrauch machen können (OLG Hamm, a.a.O. juris Rz. 10 m.w.N.). Hat das Ausbleiben des Zeugen für Parteien und Gericht keine nachteiligen Folgen, kann die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht erfolgen, weil sein Zweck nicht mehr erreicht werden kann. Die Missachtung des Gerichts allein rechtfertigt die Verhängung des Ordnungsgeldes nicht (BGH, a.a.O.).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BGH, a.a.O. Rz. 23; Zöller/Greger, a.a.O. Rz. 9).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14198976

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