Leitsatz (amtlich)
1. Eine mit dem Ziel der Streitwertheraufsetzung durch einen Rechtsanwalt eingelegte Streitwertbeschwerde gilt regelmäßig als in dessen Namen eingelegt.
2. Ist eine über das beA eingegangene Streitwertbeschwerde weder mit der qualifizierten elektronischen Signatur noch mit einer einfachen Signatur versehen, weil die Unterschriftenzeile nicht mitübermittelt wurde, liegt eine wirksame elektronische Einreichung nicht vor.
Verfahrensgang
LG Zwickau (Aktenzeichen 1 O 1049/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des LG Zwickau vom 3.5.2023 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die Klägerin hat wegen behaupteter Behandlungsfehler die Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen des Beklagten sowie ergänzende Auskunftserteilung nebst eidesstattlicher Versicherung und die Feststellung des Verzugseintritts geltend gemacht. Die Klage ist mit zweitem Versäumnisurteil vom 3.5.2023 vollumfänglich abgewiesen worden. Mit Beschluss vom selben Tage hat das Landgericht zugleich den Streitwert für das Verfahren endgültig auf 12.000,- EUR festgesetzt und damit eine vorläufige Streitwertfestsetzung vom 30.6.2021 aufrechterhalten. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung, das diesen Streitwertbeschluss sowie das Versäumnisurteil enthält, ist dem Beklagtenvertreter am 11.5.2023 zugestellt worden. Am 20.6.2023 ist über das besondere Anwaltspostfach des Beklagtenvertreters das Fragment eines Antrags auf "Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses auf 240.000,- EUR" beim Landgericht eingegangen. Eine Unterschriftenzeile enthielt es nicht, ausweislich des Prüfvermerks ist es auch nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Am 30.1.2024 ist der vollständige Schriftsatz beim LG eingegangen, der nunmehr eine Unterschriftenzeile des als Einzelanwalt tätigen Beklagtenvertreters enthält. Das Landgericht hat das Schreiben als Streitwertbeschwerde ausgelegt, dieser nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist - wovon auch das Landgericht in der Nichtabhilfeentscheidung ausgegangen ist - als unzulässig zu verwerfen. Zwar ist sie im Grundsatz als Beschwerde im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten, dem insoweit ein eigenes Beschwerderecht zusteht (§ 32 RVG), mit dem Ziel der Heraufsetzung des Streitwerts statthaft. Im Zweifel ist zugunsten eines Verfahrensbeteiligten davon auszugehen, dass er mit dem eingelegten Rechtsbehelf das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Verfahrensbeteiligten entspricht (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 09.02.1993 - XI ZB 2/93 - Tz. 3 [juris]; v. 22.05.1995 - II ZB 2/95 - Tz. 11 [juris]). Dementsprechend ist anerkannt, dass eine mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwerts eingelegte Beschwerde im Zweifel aus eigenem Recht des Rechtsanwalts eingelegt ist (Senat, Beschluss vom 15. August 2022 - 4 W 423/22 -, Rn. 3, juris). Dem Beschwerdeschriftsatz vom 20.6.2023 lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Beschwerde ausschließlich namens und in Vollmacht des Beklagten eingelegt werden soll.
Die Beschwerde ist allerdings nicht in der Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache (§§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG) eingegangen und damit verfristet. Die Rechtskraft des zweiten Versäumnisurteils ist hier mit Ablauf des 11.6.2023 eingetreten, innerhalb der bis zum 11.12.2023 laufenden Beschwerdefrist ist keine Streitwertbeschwerde eingegangen. Das am 20.6.2023 eingegangene unvollständige Schreiben konnte die Beschwerdefrist mangels Einhaltung der in §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 5 GKG gebotenen Form nicht wahren. Ein von einem Rechtsanwalt eingereichter elektronischer Schriftsatz der Anträge und Erklärung enthält, muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO). Dem Schriftsatzfragment fehlt es aber sowohl an einer qualifizierten elektronischen Signatur als auch an einer einfachen Signatur. Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dazu muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann. Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die mit der wiedergegebenen Unterschrift die...