Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsentscheid
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 12-S-0667/97) |
Tenor
1. Ist die tatsächliche Wohnfläche einer Mietwohnung geringer als im Mietvertrag angegeben, kann ein zur Minderung des Mietzinses führender Mangel der Mietsache nur dann vorliegen, wenn die Flächendifferenz erheblich ist und die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung gerade durch die geringere Wohnfläche beeinträchtigt ist.
2. Allein die Angabe einer Wohnfläche im Mietvertrag beinhaltet nur eine bloße Beschaffenheitsangabe, nicht aber hierüber hinausgehend auch die Zusicherung einer Eigenschaft der Mietsache.
3. Ein weitergehender Rechtsentscheid ergeht nicht.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten darüber, ob und wenn ja welche Gewährleistungsansprüche den Beklagten deswegen zustehen, weil ihre Mietwohnung entgegen einer Flächenangabe im Mietvertrag nicht 67,7 m², sondern – was zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig ist – tatsächlich nur 59,55 m² groß ist. Das Amtsgericht hat die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag als Zusicherung einer Eigenschaft der Mietsache gewertet, weswegen der Mietzins im Verhältnis der im Mietvertrag angegebenen zu der tatsächlichen Wohnfläche anteilig gemindert sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die in der Flächenabweichung weder einen Mangel der Mietsache noch das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft sehen.
Das Landgericht neigt dazu, in der Flächenabweichung jedenfalls dann keinen Mangel der Mietsache zu sehen, wenn die Mietwohnung vor ihrer Anmietung besichtigt wurde. Die vertraglich vorausgesetzte Sollbeschaffenheit richte sich in diesem Fall nicht nach den Angaben im Mietvertrag, sondern nach dem optischen Eindruck des Mieters von der vorhandenen Größe. Das Landgericht neigt dagegen dazu, bereits in der Angabe einer Wohnfläche im Mietvertrag die Zusicherung einer Eigenschaft zu sehen. Hiervon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn sich aus dem Betrag der vereinbarten Miete ergebe, daß dieser das Ergebnis der Multiplikation eines Quadratmeterpreises mit einer Flächenangabe sei. Hilfsweise möchte das Landgericht in derartigen Fällen den Mietzins nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage herabsetzen.
Mit Beschluß vom 20.10.1997 hat das Landgericht dem Senat folgende Rechtsfragen mit der Bitte um Erlaß eines Rechtsentscheides vorgelegt:
- Stellt es einen Sachmangel der vermieteten Wohnung nach § 537 Abs. 1 BGB dar, wenn deren Fläche erheblich – d. h. mehr als 10 % – von der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche nach unten abweicht?
- Stellt die Angabe einer Wohnfläche in Quadratmetern im Mietvertrag die Zusicherung einer Eigenschaft i. S. v. § 537 Abs. 2 BGB dar?
- Ist die Frage zu 1) wenn nicht allgemein, so doch für die Fälle zu bejahen, in denen sich der vereinbarte Mietzins aufgrund einer Multiplikation der Quadratmeterzahl der Wohnfläche mit dem Quadratmeterpreis errechnet und so zwischen den Mietvertragsparteien festgelegt worden ist?
- Falls die vorstehenden Fragen zu verneinen sind: Hat der Mieter – etwa nach den Grundsätzen der Vertragsanpassung bei Fehlen der Geschäftsgrundlage – gegen den Vermieter einen Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses, wenn sich nach Abschluß des Mietvertrages herausstellt, daß die tatsächliche Wohnfläche erheblich geringer als die im Vertrag angegebene ist und die Parteien wie vorstehend zu 3) den Mietpreis berechnet haben?
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist nur teilweise, nämlich hinsichtlich der Vorlagefragen 1) und 2) zulässig.
1. Die Rechtsfrage, ob es einen Mangel der Mietsache darstellt, wenn deren Größe erheblich von einer Größenangabe im Mietvertrag abweicht, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Insoweit ist die Vorlage als Grundsatzvorlage gem. § 541 Abs. 1 S. 1 HS 2 ZPO zulässig. Die Rechtsfrage wird bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht einhellig beantwortet und wird sich in der Praxis auch künftig in einer Vielzahl von Fällen stellen. Die Vorlagepflicht entfällt auch nicht etwa deshalb, weil sich die Rechtsfrage nicht nur im Bereich der Wohnraummiete, sondern ebensogut im Bereich der Gewerberaummiete stellt (OLG Karlsruhe WuM 1984, 267).
2. Hinsichtlich der Rechtsfrage, ob bereits die bloße Flächenangabe im Mietvertrag eine Eigenschaftszusicherung beinhaltet, ist die Vorlage als Divergenzvorlage gem. § 541 Abs. 1 S. 1 HS 1 ZPO zulässig. Das Landgericht will insoweit von einer Entscheidung des Kammergerichts vom 06.07.1992 abweichen, wonach in der bloßen Flächenangabe noch keine Zusicherung, sondern nur eine unverbindliche Objektbeschreibung zu sehen sei (KG GE 1982, 871). Die Vorlagepflicht entfällt nicht deswegen, weil das Landgericht bislang der im ersten Rechtszug unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten, bei Vertragsschluß sei ein Quadratmeterpreis vereinbart worden, nicht nachgegangen ist. Auch wenn die Vereinbarung eines Quadratmeterpreises dafür sprechen sollte, daß eine Flächenangabe des Vermieters nicht nur als Beschaffenheitsangabe, sondern als Zusicherung zu verstehen wäre, wäre...