Leitsatz (amtlich)

1. Gleicht der Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung aber vor Erlass des Urteils den Klagebetrag aus, tritt Erledigung des Rechtsstreits ein. Kündigt der Kläger eine Erledigungserklärung an, hat das Gericht die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

2. Legt es stattdessen dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf, kann der Beklagte dies nur zusammen mit der Hauptsache anfechten; eine isolierte Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist unzulässig.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1549/19)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten wird verworfen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2055,42 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat den Beklagten als Versicherer nach einem Verkehrsunfall auf Regresszahlungen in Höhe von 11.850,- EUR in Anspruch genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien nach einer entsprechenden Zahlung den Rechtsstreit in Höhe von 6.850,- EUR für erledigt erklärt. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte weitere 5000,- EUR zzgl. Zinsen gezahlt. Die Klägerin hat gleichwohl die Klage weder zurückgenommen noch der Erledigungserklärung des Beklagten zugestimmt. Mit Endurteil vom 20.3.2020 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Kosten dem Beklagten auferlegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde. Der Beklagte ist der Auffassung, diese sei zulässig, weil der Kostentenor des Urteils eine eigenständige Beschwer enthalte. Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts ist nach § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig. Hiernach kann die Kostenentscheidung eines Urteils grundsätzlich nur im Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden. Dadurch soll verhindert werden, dass das Gericht im Rahmen einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung erneut die Hauptsache beurteilen muss, obwohl diese nicht mehr zur Entscheidung gestellt ist. Die Vorschrift dient sowohl der Prozessökonomie als auch der Entlastung der Gerichte. Sie geht jedoch zu Lasten der Kostengerechtigkeit und schließt eine Anfechtung selbst dann aus, wenn der Anfechtende nur durch die Kostenentscheidung beschwert ist (BGH, Beschluss vom 23. November 1995 - BGH V ZB 28/95 - juris; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 99 Rn. 1). So liegt der Fall hier:

1. Zwar hat das Landgericht dem obsiegenden Beklagten die Kosten des Rechtsstreits unter Verstoß gegen § 91 Absatz 1 ZPO auferlegt. Ob der Beklagte materiell-rechtlich zum Ausgleich der streitgegenständlichen Regressforderung verpflichtet war, ist hierfür unerheblich. Als zivilprozessuale Kostenvorschrift stellt § 91 ZPO gegenüber etwaigen materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen eine Ausnahmevorschrift dar, die die Kostentragungspflicht unabhängig vom Verschulden nach dem Maß des Unterliegens regelt, Kostengrundentscheidungen sind allein nach Maßgabe der ZPO über die Kostentragung zu treffen (BGH Beschluss vom 27. Oktober 2003 - II ZB 38/02 -, Rn. 3, juris; KG Berlin, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 8 W 2/18 -, Rn. 17, juris). Dies gilt auch dann, wenn der auf Klageabweisung beharrende Beklagte - wie hier - den Klageanspruch vorbehaltlos erfüllt hat (Zöller-Althammer, ZPO, 33. Aufl. § 91a Rn. 47).

Vorliegend hat der Beklagte die noch offenstehende Forderung einschließlich der hierauf anfallenden Zinsen gem. § 362 BGB vorbehaltlos erfüllt, was zur Erledigung des Rechtsstreits und zur Unbegründetheit der verbleibenden Restforderung führte. Dass diese Zahlung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, ändert hieran nichts, ein erledigendes Ereignis ist vielmehr bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu beachten (vgl. statt aller ZPO-Althammer, a.a.O. Rn. 6). Folgerichtig hat das Landgericht die verbleibende Klage mit dem angefochtenen Urteil auch abgewiesen, ohne allerdings hieraus die gebotene prozessuale Konsequenz für den Kostenanspruch zu ziehen. Für eine Durchbrechung der sich aus § 91 ZPO ergebenden Kostenlast der unterliegenden Partei, d. h. vorliegend der Klägerin, besteht auch in der hier gegebenen Konstellation kein Anlass. Zwar hätte die Klägerin eine einseitige Erledigungserklärung im laufenden Verfahren nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr wirksam abgeben können. Das Landgericht wäre jedoch im Anschluss an die Ankündigung einer solchen Klageänderung gehalten gewesen, die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO wiederzueröffnen. Unabhängig hiervon hätte die Klägerin jedenfalls Berufung einlegen und dort die Erledigungsfeststellung erwirken können (BGH MDR 2016, 482; Zöller-Althammer, a.a.O. Rn. 38). Vorliegend wäre es jedoch nicht einmal erforderlich gewesen, diesen - zugegebenermaßen prozessual mühsamen - Weg zu beschreiten. Mit anwaltlichem Schriftsatz des Beklagten vom 22.1.2020, hatte dieser nämlich selbst eine Erledigungserklärung für den Restbetrag abge...

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