Leitsatz (amtlich)
1. Aufklärungsmängel und Behandlungsfehler stellen unterschiedliche Streitgegenstände dar.
2. Ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang fehlt, wo die verletzte Aufklärungspflicht nicht die Verhinderung des konkret eingetretenen Schadens im Blick hat; bei der gleichzeitigen Extraktion mehrerer Zähne liegt er nicht vor, wenn feststeht, dass die Folgeschäden in gleicher Weise auch bei einem mehrzeitigen Vorgehen aufgetreten wären.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 77/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehen weder aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrag noch aus unerlaubter Handlung Ansprüche auf Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden zu. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg.
1. Behandlungsfehler sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil das Urteil insoweit nicht angegriffen wird. Erstreckt sich die Berufung bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen nicht auf alle Teile des Urteils hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt wird, werden dieser Streitstoff und der ihm zugrunde liegende Streitgegenstand nicht Bestandteile des Berufungsverfahrens (BGH VersR 2007, 414; VersR 2004, 1064).
2. Es ist auch von einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Beklagten auszugehen. Dies ergibt sich zum großen Teil bereits aus den unstreitigen und insoweit übereinstimmenden Angaben der Parteien zum Aufklärungsgespräch, so dass es auf die insoweit gegebene Beweislast des Beklagten nicht mehr ankommt.
a) Soweit der Kläger eine mangelhafte Risikoaufklärung rügt, so gilt Folgendes: Die Risikoaufklärung muss dem Patienten einen Überblick über die mit dem Eingriff verbundenen Gefahren schaffen. Es genügt hierbei, wenn dem Patienten ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des konkreten Risikospektrums vermittelt wird, er ein Bild von der "Stoßrichtung" des Eingriffs vermittelt bekommt (zahlr. Nachw. bei Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rz. A 554 bis 555). Dies war vorliegend bereits nach dem klägerischen Vorbringen der Fall. Der Kläger hat gestützt auf die Aussage seiner Mutter behauptet, seinerzeit hätte der Beklagte sich damit gebrüstet, der Einzige in der Gegend zu sein, der dazu befähigt wäre, alle vier Weisheitszähne auf einmal zu ziehen. Damit lag für die Klägerseite aber auf der Hand, dass es sich um ein schwieriges, nicht unriskantes Vorgehen handelt. Denn es ist denklogisch ausgeschlossen, dass man sich der Befähigung zu einer Vorgehensweise berühmt, und diese Befähigung eigens herausstellt, wenn es sich um etwas handelt, was einfach und unriskant ist, und was infolgedessen auch jeder kann. Obendrein hat die Mutter des Klägers selbst in ihrer Vernehmung bekundet, dass sie den Aufklärungsbogen (Anl. K 1) nicht nur nach Hause mitgenommen, sondern sicher vor der Unterzeichnung noch einmal durchgelesen habe. Dort aber ist ausdrücklich auch der mögliche Eintritt erheblicher Komplikationen genannt.
b) Was die Aufklärung unter dem Aspekt der Eröffnung von Alternativen i.S. eines mehrzeitigen Entfernens der unstreitig extraktionswürdigen Weisheitszähne betrifft, so gilt grundsätzlich, dass dem Arzt die Entscheidung über die richtige Therapie im Grundsatz zusteht. Nur dann, wenn echte andere Alternativen zur Verfügung stehen, muss über sie aufgeklärt werden. Ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen - und auch des Klägers selbst - dass die Zähne teilweise schon massive Probleme verursacht hatten und völlig ungewiss war, ob die anderen fehlstehenden Zähne nicht jederzeit ebensolche Probleme bereiten könnten, lässt sich bereits zweifeln, ob es sich bei der mehrzeitigen Entfernung überhaupt um eine "gleichwertige" Therapiealternative gehandelt hätte. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige klar ausführte, eine Erhöhung des Entzündungsrisikos gehe mit der gleichzeitigen Entfernung der Weisheitszähne gerade nicht einher.
c) Ob das mehrzeitige Vorgehen bei der Ausgangssituation des Klägers eine echte Behandlungsalternative gewesen wäre, kann hier indes dahinstehen. Denn der Beklagte hat sich auf eine hypothetische Einwillig...