Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate abwartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen.
2. Diese Vermutung wird nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird, so dass davon auszugehen ist, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 1234/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagt.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat den vom Kläger mit der Berufung allein noch geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 02.10.2018 bis zum 06.03.2019 in Höhe von 59,- EUR je Kalendertag, insgesamt 9.204,- EUR, mit zutreffenden Erwägungen versagt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt es nicht, ihm die begehrte Nutzungsausfallentschädigung im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung zuzuerkennen, so dass auch seinem PKH-Gesuch nicht stattzugeben war.
1. Das erstinstanzliche Urteil leidet nicht an einem erheblichen Verfahrensfehler. Der von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 08.01.2021 gestellte Antrag auf Klageabweisung bezieht sich auch auf den zuvor klageerweiternd gestellten Antrag auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung. Einer ausdrücklich darauf bezogenen Antragstellung bedurfte es nicht, da die Beklagte, die den Anspruch nach Grund und Höhe bereits mit Schriftsatz vom 10.06.2020 substantiiert bestritten hat, dem Klagebegehren insgesamt erkennbar entgegengetreten ist vgl. auch Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl., § 297 Rn. 2 m.w.N.).
2. Die Abweisung der mit der Klageerweiterung begehrten Nutzungsausfallentschädigung als unschlüssig nach vorausgegangener Prozesskostenhilfebewilligung stellt sich auch nicht wegen Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs als unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Das Landgericht hat es zwar unterlassen, den Kläger auf die Ergänzungsbedürftigkeit seines diesbezüglichen Sachvortrags gem. § 139 ZPO hinzuweisen. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung rechtfertigt es jedoch nicht, ihm den geltend gemachten Anspruch nunmehr zuzuerkennen, so dass eine weitere Sachaufklärung im Berufungsverfahren nicht geboten ist und sich die landgerichtliche Entscheidung im Ergebnis als zutreffend erweist (vgl. BGH, Beschluss vom 22.05.2014 - IX ZB 46/12 -, juris).
3. Grundsätzlich umfasst der Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB auch den Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung, bei dem es sich um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden handelt, der weder dem Grunde noch der Höhe nach von Anfang an als gegeben anzusehen ist. Er hängt vielmehr davon ab, ob der Geschädigte das Fahrzeug überhaupt nutzen wollte, was von ihm darzulegen ist (BGH NJW 2009, 1663, 1664 Rn. 9; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.12.2020 - 4 U 9/20 -, Rn. 44, juris). Dabei begründet der Umstand, dass ein Geschädigter mehrere Monate zuwartet, bis er sich ein Ersatzfahrzeug beschafft, eine von ihm zu entkräftende tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 04.11.2020 - 1 U 995/20 -, Rn. 39 - 40, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.09.2017 - 4 U 82/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.08.2014 - I-1 U 151/13; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.11.2017 - 3 U 183/16; OLG Brandenburg, Urteil vom 18.10.2018 - 12 U 70/17; OLG Köln, Urteil vom 08.03.2004 - 16 U 111/03 und OLG Hamm, Urteil vom 23.02.2006 - 28 U 164/05, juris; Wenker, jurisPR-VerkR 9/2020 Anm. 1). Wird - wie hier - ein über die übliche Wiederbeschaffungszeit hinausgehender Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht, ist neben der Darlegung, dass der Geschädigte nicht über die für eine Ersatzbeschaffung notwendigen finanziellen Mittel verfügt hat, auch ein frühzeitiger Hinweis auf die bestehende finanzielle Situation an den Schädiger bzw. dessen H...