Leitsatz (amtlich)

Der Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG fordert auch im Kontext der Gewährung einer Opferrente einen "Systembezug" der in Rede stehenden Verstöße.

 

Normenkette

StrRehaG § 16 Abs. 2, § 17a

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Entscheidung vom 13.10.2008; Aktenzeichen BSRH 403/08)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird Ziffer 3. des Beschlusses des Landgerichts Chemnitz vom 13. Oktober 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Landesdirektion Chemnitz zurückgegeben.

2. Die weitergehende Beschwerde der Staatskasse wird als unbegründet verworfen.

3. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Die dem Betroffenen durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

4. Dem Betroffenen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe gewährt. Rechtsanwalt , wird als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der Betroffene wurde mit Urteil des Kreisgerichts Zwickau-Stadt vom 03. Oktober 1983 wegen verbrecherischen Diebstahls zum Nachteil persönlichen Eigentums, mehrfachen Betruges zum Nachteil sozialistischen Eigentums, Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten, begangen im Rückfall, und wegen Vorbereitung zur rechtswidrigen Nichtrückkehr in die DDR zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 25. April 1995 hat das Landgericht Chemnitz - Rehabilitierungskammer - das vorgenannte Urteil aufgehoben, soweit eine Verurteilung wegen Vorbereitung zur rechtswidrigen Nichtrückkehr in die DDR und zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erfolgt ist. Im Übrigen wurde der Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung des Betroffenen zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit vom 03. Juni 1985 bis zum 30. Januar 1986 zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten hat.

Der Betroffene war bereits zuvor mit Urteil des Landgerichts Zwickau vom 18. März 1994 wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er verbüßt diese derzeit in der Justizvollzugsanstalt .

Vor diesem Hintergrund hat die Landesdirektion Chemnitz mit Bescheid vom 11. August 2008 den Antrag des Betroffenen auf Gewährung der besonderen Zuwendung für Haftopfer gemäß § 17 a StrRehaG abgelehnt, weil ein Ausschlussgrund im Sinne des § 16 Abs. 2 StrRehaG vorliege. Die Landesdirektion hat ausgeführt, dass der Betroffene durch den von ihm begangenen Mord das Recht eines jeden Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt habe; dadurch habe er "selbst gegen die Menschlichkeit in einer demokratischen Grundordnung verstoßen".

Hiergegen hat der Betroffene Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Landgericht Chemnitz hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 den abweisenden Bescheid der Landesdirektion Chemnitz aufgehoben (Ziffer 2. des Beschlusses) und diese verpflichtet, dem Betroffenen eine monatliche besondere Zuwendung für Haftopfer zum 01. Oktober 2007 gemäß § 17 a StrRehaG zu gewähren (Ziffer 3. des Beschlusses). Das Landgericht hat das Vorliegen eines Ausschlussgrundes mit der Begründung verneint, der Ausschluss könne "nur für ein Verhalten vor der "Wende" gelten". Nach "Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 StrRehaG solle ein Opfer politischer Verfolgung, das selbst Täter in diesem politischen System gewesen sei, nicht mit den politischen Opfern gleichgestellt werden, die letztlich diese Maßnahmen gegen sich erdulden mussten". Auf Kapitalverbrechen, die "nach der politischen Wende begangen" wurden, sei § 16 Abs. 2 StrRehaG nicht anwendbar.

Hiergegen wendet sich die Staatskasse, vertreten durch das Landesamt für Finanzen, mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses erstrebt. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass vorliegend der Betroffene durch die Tötung eines Menschen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen habe und deshalb der Ausschlussgrund des § 16 Abs. 2 StrRehaG eingreife. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergebe sich aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 StrRehaG "weder eine zeitliche Begrenzung des Verwirkungstatbestandes auf Verhalten zu Zeiten der DDR noch" lasse "sich ein Systembezug erkennen". Im Übrigen sei die Vorschrift des § 16 Abs. 2 StrRehaG im Hinblick auf den neu eingefügten § 17 a StrRehaG und den darin postulierten Zweck der Würdigung politischer Inhaftierung in diesem Kontext abweichend von der bisherigen Rechtsprechung extensiver auszulegen. Der Zweck der Opferrente, "eine besonders herausragende politische Verfolgung" durch die Gewährung einer besonderen Zuwendung zu würdigen, würde "entwertet, wenn jemand", der "anderen Personen schlimmstes Unrecht" - wie das der Tötung eines anderen Menschen - angetan habe, die Zuwendung erhalte. "Ein Haftopfer, das selbst gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen" habe, sei "einer über die normalen sozialen Ausgleichsleistungen hinausgehenden lebenslangen Zu...

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