Leitsatz (amtlich)
Eine Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen des Angeklagten auf Auslagen, die nach der Beiordnung des Pflichtverteidigers entstanden sind kommt nur in Betracht, wenn der Verteidiger (aufgrund wirksamer Honorarvereinbarung) einen Anspruch gegen den Angeklagten auf Erstattung dieser Auslagen hat. (Fortführung der Senatsentscheidung vom 31. August 2000 - 1 Ws 218/00)
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5 KLs 105 Js 35837/93 - 22. 02. 2001) |
Tenor
2.
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 22. Februar 2001 dahingehend abgeändert, dass die dem Verteidiger zu erstattende Pflichtverteidigervergütung auf (brutto) 12 880, 72 DM (= 6 585, 81 EUR) festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Mit Beschluss des Landgerichts Dresden vom 03. 04. 2001 ist der Beschwerdeführer dem Angeklagten (während laufender Hauptverhandlung) als Verteidiger beigeordnet worden. Für seine vorherige Tätigkeit als Wahlverteidiger hatte er auf Grundlage von schriftlichen Honorarvereinbarungen bis zur Beiordnung als Pflichtverteidiger einen Vergütungsanspruch in Höhe von 241 570, 00 DM verdient, auf den er Vorschusszahlungen in Höhe von insgesamt 128 600, 00 DM erhalten hat. Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens hat er die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung beantragt, wobei er einen Gebührenanspruch für das gesamte Verfahren in Höhe von 12 500, 00 DM netto sowie Auslagen von insgesamt 42 302, 06 DM geltend macht. Die nach Beiordnung als Pflichtverteidiger entstandenen Auslagen machen insgesamt einen Teilbetrag von 13 135, 72 DM aus. Nachdem die Rechtspflegerin beim Landgericht Dresden mit Beschluss vom 12. 02. 2001 den Vergütungsfestsetzungsantrag insgesamt zurückgewiesen hat, weil die vom Verteidiger erhaltenen Zahlungen des Angeklagten gemäß § 101 Abs. 2 BRAGO auf die Pflichtverteidigervergütung, d. h. sowohl die Gebühren wie die Auslagen, anzurechnen seien und weil auch nach Anrechnung dem Verteidiger ein Betrag in Höhe der doppelten Pflichtverteidigergebühren verbleibe, hat der Vorsitzende der Kammer auf die Erinnerung des Verteidigers diesen Beschluss dahingehend abgeändert, dass dem Verteidiger die nach seiner Beiordnung entstandenen Auslagen, d. h. 13 135, 72 DM, zu erstatten seien. Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerde des Verteidigers, der die Ansicht vertritt, bis zum Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung verdiente und gezahlte Wahlverteidigerhonorare seien anrechnungsfrei, und die Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Dresden, der eine Wiederherstellung der Entscheidung der Rechtspflegerin begehrt. Der Vorsitzende der Kammer hat beiden Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde des Verteidigers ist unbegründet.
1.
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 31. 08. 2000 (l Ws 218/00) dargelegt hat, sind auch Zahlungen für die Tätigkeit des Verteidigers vor der Beiordnung anrechenbar, soweit für diese gemäß § 97 Abs. 3 BRAGO eine Pflichtverteidigervergütung beansprucht werden kann (OLG Düsseldorf, MDR 1993, 808; Hadert in Gerold u. a. , BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 101 Abs. 1 Rdnr. 2 m. w. N. ). Soweit der Verteidiger sich auf eine entgegenstehende Äußerung von Madert (aaO, Rdnr. 3) beruft, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die dort in Bezug genommene Rechtsprechung beruht auf der Rechtslage vor Einführung des nunmehr geltenden § 97 Abs. 3 BRAGO, die zu einer Unterscheidung nach Verfahrensabschnitten führte. Nachdem diese Unterscheidung abgeschafft ist, bleibt für die vom Verteidiger vertretene Differenzierung kein Raum. Die eindeutige Regelung in § 101 BRAGO lässt sich nur dahingehend verstehen, dass dem Verteidiger eine Anrechnung aller Zahlungen zugemutet wird, die den Betrag der doppelten ge-samten Pflichtverteidigergebühren übersteigen. Diese Unterscheidung ist auch sachgerecht, da anderenfalls ein Wahlverteidiger mit seinem Mandanten für die ersten Verfahrensabschnitte eine besonders hohe Vergütung vereinbaren könnte mit der Erwartung, dass für spätere Verfahrensabschnitte, in denen eine entsprechende Zahlung durch den Mandanten nicht mehr möglich ist, eine Vergütung aus der Staatskasse über den Weg der Pflichtverteidigerbeiordnung erlangt werden könnte. Auch wenn im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine derartige Manipulation bestehen, ändert dies nichts an der ratio der Gesetzeslage.
2.
Eine Erhöhung des festgesetzten Betrages um die Summe der vor Beiordnung angefallenen Auslagen des Verteidigers kommt deshalb nicht in Betracht, weil dieser Betrag durch die Zahlungen des Angeklagten an den Verteidiger bereits abgedeckt ist. Wie der Senat in vorgenannter Entscheidung bereits näher begründet ...