Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebühren und Kosten: Erstattung der notwendigen Auslagen bei mehreren Verteidigern, Sicherungsverteidiger

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird der weitere Pflichtverteidiger bestellt, um den Fortgang des Verfahrens zu sichern, sind die Auslagen für zwei Verteidiger erstattungsfähig.

2. Ist nämlich allein wegen der Schwierigkeit oder des Umfangs des Verfahrens oder aus ähnlichen, vom Angeklagten nicht zu vertretenden Umständen, ein Pflichtverteidiger zusätzlich bestellt worden, lässt sich jedenfalls aus Gesichtspunkten der Verursachung eine Kostenüberbürdung schwerlich rechtfertigen.

 

Gründe

Im vorliegenden Verfahren, das sich gegen fünf weitere Mitangeklagte richtete, wurden dem Angeklagten mit Beschluss des Landgerichts vom 19.06.2006 Rechtsanwalt K und Rechtsanwalt S als notwendige Verteidiger beigeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, "auf Grund terminlicher Schwierigkeiten bei Rechtsanwalt K" bedürfe es "eines weiteren sog. Sicherungsverteidigers".

Zwar sind die für mehrere Verteidiger entstandenen Kosten und Auslagen regelmäßig nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen (§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der weitere Pflichtverteidiger bestellt worden ist, um den Fortgang des Verfahrens zu sichern. In diesem Fall sind die Auslagen für zwei Verteidiger erstattungsfähig (vgl. KG Berlin NStZ-RR 2000, 163; OLG Rostock StV 1997, 33 f.; OLG Düsseldorf StV 2006, 32).

Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, dass bei der Auslegung der gesetzlichen Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO der Sinnzusammenhang aller einschlägigen Regelungen der Strafprozessordnung zu berücksichtigen sei. Das spreche gegen eine restriktive Auslegung der Normen im Bereich des Strafprozessrechts. Im Zivilprozess, dessen Ausgestaltung sich vom strafrechtlichen Offizialverfahren grundlegend unterscheide, sei eine Verfahrenssituation, in welcher die Mitwirkung eines zusätzlichen Rechtsanwalts zur Gewährleistung eines geordneten Verhandlungsablaufs erforderlich sein kann, kaum vorstellbar. Zudem liege eine großzügigere Handhabung der strafprozessualen Kostenvorschrift nahe, weil die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger ganz überwiegend ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung extra legem erfolge. Schließlich werde auch § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO lediglich als Grundsatzregel verstanden, die Ausnahmen zulasse (vgl. BVerfGE 66, 313 ff. m.w.N.).

Diese Grundsätze müssen auch für den Fall gelten, dass - wie vorliegend - aus Fürsorgegesichtspunkten das Gericht einen zweiten Pflichtverteidiger bestellt hat. Hierbei ist auch die Erwägung zu berücksichtigen, dass der freigesprochene Angeklagte, bei dem der allgemeine Gesichtspunkt einer Verursachung des Strafverfahrens durch vorangegangenes strafbares Verhalten als Grund für eine finanzielle Haftung ausscheidet, nicht für Kosten soll aufkommen müssen, die allein durch die Schwierigkeit oder den Umfang des Verfahrens, oder aus anderen, von ihm selbst nicht zu vertretenden Gründen entstanden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Ist somit allein wegen der Schwierigkeit oder des Umfangs des Verfahrens oder aus ähnlichen, vom Angeklagten nicht zu vertretenden Umständen ein Pflichtverteidiger zusätzlich bestellt worden, lässt sich jedenfalls aus Gesichtspunkten der Verursachung eine Kostenüberbürdung schwerlich rechtfertigen (BVerfGE 66, 313 ff.). In Fällen wie dem Vorliegenden, wenn die Mitwirkung von zwei Verteidigern aus Gründen der gerichtlichen Fürsorge oder zur Sicherung des Verfahrensfortgangs notwendig war, haben somit ausnahmsweise beide Pflichtverteidiger Anspruch auf Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe der Wahlverteidigervergütung als notwendige Auslagen des Angeklagten (vgl. KG Berlin NStZ 1994, 451 f.; Senat, Beschl. v. 10.2.2006 - 1 Ws 47/05). Dem Beiordnungsbeschluss des Landgerichts vom 19.06.2006 lässt sich ... nicht entnehmen, dass die Beiordnung in der Weise erfolgen soll, dass an einem Termin nur jeweils ein Pflichtverteidiger teilnehmen solle.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2571197

StraFo 2007, 126

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?