Leitsatz (amtlich)
1. Das besondere Schutzbedürfnis der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung genießt grundsätzlich den Vorrang vor der Berichterstattung in den Medien. Die nicht anonymisierte Zurschaustellung des Bildnisses des neugeborenen Kindes, die nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt ist, stellt einen groben Verstoß gegen grundlegende journalistische Sorgfaltspflichten dar. Ein solcher grober Verstoß indiziert zugleich eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, die eine Geldentschädigung rechtfertigt (Festhaltung Senat, Beschluss vom 28. September 2017 - 4 U 1234/17 -, juris).
2. Bei der Abwägung ist die begleitende Wortberichterstattung im Kontext zu würdigen, ohne dass der Betroffene darlegen und beweisen müsste, durch diese Berichterstattung Nachteile, z.B. in Form von Hänseleien erlitten zu haben.
3. Erschwerend kann sich auswirken, dass die betroffene Berichterstattung auch weiterhin im Internet auffindbar ist, ohne dass sich der Verletzer darauf berufen könnte, es sei ihm nicht möglich oder unzumutbar, die Auffindbarkeit des Artikels über Internetsuchmaschinen einzuschränken.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 2044/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 2500,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
I. Dem Kläger steht wegen einer schweren Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zu. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf den Hinweisbeschluss vom 6.1.2020. Die hiergegen mit Schriftsatz vom 17.2.2020 erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Beklagte allerdings davon aus, dass bei der Frage, ob ein Bildnis ein Ereignis der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellt, sich ein zu enges Verständnis des Begriffes der Zeitgeschichte verbietet und dass hierzu im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse gehören (BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - VI ZR 56/17 - juris). Es gehört zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07 - juris). Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt (BGH, Urteile vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18, und vom 9. April 2019 - VI ZR 533/16 - beide juris).
2. Gleichwohl greift die Annahme, der Artikel, in dem sich das streitgegenständliche Bildnis befinde, greife mit der "kuriosen Namenswahl von Eltern" ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz auf, so dass schon aus diesem Grund die Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers gerechtfertigt sei, zu kurz. Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 6.1.2020 ausgeführt hat, kommt es bereits im Rahmen der Abwägung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht nur auf das Thema, sondern maßgeblich auf den Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung an. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 504/18 -, Rn. 13, juris; vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18 und vom 29. Mai 2018 - VI ZR 56/17- juris). Letzteres ist hier der Fall. Eine sachbezogene Diskussion des Themas "kuriose Namenswahl von Eltern" lässt sich dem Artikel an keiner Stelle entnehmen, dieser beschränkt sich vielmehr auf die - unzutreffende - Mitteilung, der am 6.6.2015 geborene Kläger heiße "S......", die sodann zum Ausgangspunkt für Wortspiele ("... stets ein kräftiger Wind ins Gesicht blasen") und Spekulationen über Schwierigkeiten des Klägers mit seinem Namen gemacht wird. Dass es in dem Artikel allein um die "Belustigung" der Leser geht, lässt die Beklagte im Schriftsatz vom 17.2.2020 ausdrücklich gegen sich gelten, ihre Annahme, dies sei bereits ausreichend um eine Bildnisveröf...