Leitsatz (amtlich)
1. Für den Streitwert einer Äußerungsklage kommt es auch auf die tatsächliche Breitenwirkung der Äußerung an, unerheblich ist hingegen, ob diese aufgrund der Veröffentlichung im Internet grundsätzlich von jedermann zur Kenntnis genommen werden kann.
2. Dass eine juristische Person des Privatrechts durch eine Äußerung nur in ihrer Sozialsphäre verletzt werden kann, ist streitwertmindernd zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 610/18) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichtes Leipzig vom 15.10.2018 abgeändert und der Streitwert auf 10.000 EUR festgesetzt.
II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gemäß §§ 567 ff ZPO, 68 GKG zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Streitwert für die begehrte Unterlassung der unstreitig unwahren Tatsachenbehauptung ist mit lediglich 10.000,- EUR anzusetzen, § 3 ZPO.
Nach § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögensund Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Für die Streitwertfestsetzung bei Unterlassungsansprüchen wegen einer Ehrverletzung sind neben dem Grad der Verbreitung die Schwere des Vorwurfs sowie die Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruches des Verletzten in der Öffentlichkeit, die wirtschaftliche Bedeutung sowie die sonstige Bedeutung der Sache einzubeziehen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 09. April 2018 - 4 W 296/18 -, juris, vgl. auch Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 1830 ff.). Ausgangspunkt für die Bemessung sind die Werte des § 52 Abs. 2 GKG (5.000,00 EUR) und des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (5.000,00 EUR), die nach Maßgabe des Einzelfalles zu erhöhen oder zu vermindern sind. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren unter dem der Hauptsache liegt, weil das für ein Verfahren maßgebende Interesse des Antragstellers an der Sicherstellung im Regelfall nicht das Befriedigungsinteresse erreicht (Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort: "Einstweilige Verfügung"), beträgt der Streitwert einer Unterlassungsklage ohne besondere Bedeutung im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung regelmäßig 5.000,00 EUR (Senat, Beschluss vom 23.01.2013 - 4 W 1363/12).
Vorliegend handelt es sich jedoch um ein Hauptsachverfahren, in dem das Befriedigungsinteresse unvermindert anzusetzen ist. Von einer nicht unerheblichen Breitenwirkung, die sich auch auf die Bemessung des Streitwertes auswirken muss, ist überdies auszugehen. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass sich die streitgegenständliche Äußerung in eine "gezielte Kampagne" der von der Beklagten vertretenen YYYvereinigung "Wir bleiben" einfügt, die sich in Opposition zu der Klägerin bei der Vertretung von YYY in XXX sehe. Auch wenn diese Behauptung nur auf der Homepage der Beklagten veröffentlicht wurde und nicht bekannt ist, in welchem Umfang sie von anderen YYY tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde, kommt ihr damit eine potentiell nicht unerhebliche Breitenwirkung in YYYkreisen zu, zumal auch die Behauptung der Klägerin unbestritten geblieben ist, in ihrem Stadtverband seien 207 YYYvereine organisiert. Die hiermit verbundene Befürchtung, aufgrund der von der Beklagten angegebenen - nicht zutreffenden - Zahlen zu dem von der Klägerin verpachteten Grundstücksbestand seien Rechtsstreitigkeiten mit zahlreichen Mitgliedsvereinen zu erwarten gewesen, ist zumindest nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Da behauptet wurde, die Klägerin habe einen Betrag von 930.000,- EUR zu Unrecht nicht "an die Vereine zurückgezahlt", liegt dem Rechtsstreit nicht zuletzt auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Unterlassung einer solchen Äußerung zugrunde.
Andererseits kann für die Bemessung aber auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin als juristische Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht lediglich in ihrer Sozialsphäre verletzt sein kann und dass tatsächlich wirtschaftlich nachteilige Folgen für sie nicht eingetreten sind, jedenfalls nicht behauptet werden. Es steht auch nicht zu erwarten, Dass von einer auf einer Homepage veröffentlichten Äußerung potentiell jedermann Kenntnis erlangen kann, spielt hierbei keine Rolle. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auf einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht, ist nicht allein wegen der Veröffentlichung im Internet als besonders schwerwiegend anzusehen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 -, BGHZ 199, 237-270, Rn. 53). Keine Rolle spielt für die Bemessung, dass die Beklagte sich verpflichtet hat, als Konsequenz aus der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung Abmahnkosten aus einem Streitwert von 20.000,- EUR zu zahlen. Ein hieraus möglicherweise entstehender Indizwer...