Leitsatz (amtlich)

1. Wird im Antragsformular für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nach neurologischen Erkrankungen gefragt, ist der Antragsteller auch nicht verpflichtet, eine ihm bekannte Erkrankung an M. Parkinson "spontan" anzugeben.

2. Allerdings hat er hieraus resultierende Einschränkungen der Beweglichkeit und Feinmotorik mitzuteilen, wenn der Versicherer nach "Erkrankungen und Beschwerden des Bewegungsapparates" fragt.

3. Das Verschweigen derartiger Beschwerden indiziert Arglist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2389/22)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2024 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 62.517,50 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestands einer nach Vorschlagsanforderung vom 07.07.2015 mit Wirkung zum 01.08.2022 bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Der 1962 geborene Kläger war bis zum 30.06.2022 als Autoverkäufer im Außendienst bei der D... AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag beendet.

Nachdem der Kläger (wohl) im Jahr 2013 Beweglichkeitsstörungen des rechten Armes und des rechten Beins bemerkte, die sich seither schleichend verschlechterten, stellte er sich lt. Arztbrief vom 02.06.2015 (Anl. BLD 3) im Mai 2015 "zur Einholung einer Zweitmeinung und zur weiteren Therapieberatung" im Universitätsklinikum L... zur ambulanten Untersuchung vor. Die Uniklinik teilte dem Kläger die Diagnose "Idiopathisches Parkinson-Syndrom HOEHN und YAHR Stadium I mit (vgl. Anl. BLD3).

Über seinen Arbeitgeber erhielt er im Juli 2015 von der D... Vorsorge und Versicherungsdienst GmbH (im folgenden D... VVD) eine "Vorschlagsanforderung für eine Berufsunfähigkeitsvorsorge Klassik" (Anl. K4). Darin wird die Beklagte als Risikoträger benannt. In dem Formular heißt es:

"Bitte beachten Sie vor Abgabe der nachfolgenden Erklärung und Angaben die "wichtige Mitteilung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nach § 19 Abs. 5 VVG" (S. 2). (= Anl. BLD1)

...

Erklärung der zu versichernden Person

Hiermit erkläre ich,

  • dass ich zur Zeit voll arbeitsfähig bin und dass ich in den letzten 2 Jahren nicht länger als 2 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig war und
  • dass in diesem Zeitraum auch keine der folgenden Erkrankungen bei mir festgestellt oder behandelt wurde: Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Schlaganfall, Nierenversagen, Zucker und Lebererkrankungen, psychische Erkrankungen, HIV-Infektion/Aids, Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates (z.B. Rücken, Knie, Hüfte). ..."

Auf S. 2 des Formulars unter "Erklärung zur Beratung im Rahmen der Berufsunfähigkeitsvorsorge" kreuzte der Kläger "Beratungsverzicht" an. Handschriftlich vermerkte er daneben: "Beratung erfolgte telefonisch mit Herrn F... am 7.7.2015!". Den weiteren Passus:

"... Mit meiner Unterschrift fordere ich die ... Lebensversicherung-AG auf, mir anhand meiner Angaben und gewählten Leistungen einen Vorschlag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu unterbreiten. Zugleich gebe ich die Gesundheitserklärung sowie meine Einwilligung in die Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten sowie zur Schweigepflichtentbindung ab. Die "Wichtige Mitteilung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung" habe ich zur Kenntnis genommen. ..."

unterschrieb der Kläger unter dem 07.07.2015 und übersandte das Formular an die D... VVD.

Unter dem 13.07.2015 erstellte die D... VVD eine Beratungsdokumentation, in der sich der Hinweis "Mehrfachagentur" findet. Demnach fand die Beratung über die Berufsunfähigkeitsversicherung mit den Kläger an diesem Tag telefonisch statt und ging vom Kunden aus. Der Inhalt dieses Telefongesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

Am 22.07.2015 übersandte die Beklagte dem Kläger das "Angebot/Versicherungsschein" zur ergänzenden Berufsunfähigkeitspolice, Vers.-Nr. 0/000000/0002 mit Versicherungsbeginn zum 01.08.2015 und monatlichen Rentenleistungen bei Berufsunfähigkeit längstens bis zum 31.07.2027 in Höhe von monatlich 1.750 EUR sowie Beitragsbefreiung. Im Rahmen eines Nachtrags wurden am 26.06.2017 Leistungen und Beitrag erhöht.

Im Juli 2022 beantragte der Kläger mit der Begründung, dass er an Parkinson leide, Leistungen aus der Versicherung (vgl. Anl. BLD 2). Mit Schreiben vom 24.08.2022 (vgl. Anl. K5) lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab und erklärte die Anfechtung. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger die Gesundheitserklärung falsch beantwortet habe, da er die bestehenden Beweglichkeitsstörungen des rechten Arms bzw. rechten Beins nicht angegeben habe, die 2015 als idiopathisches Parkinsonsyndrom diagnostiziert worden seien.

Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestehens der...

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