Leitsatz (amtlich)
1.
Wird gegen ein Urteil des Amtsgerichts ein zunächst unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt, ist das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln, wenn die Revisionsbegründung, die die Wahl der Revision enthält, innerhalb der Begründungsfrist bei dem zuständigen Gericht (Amtsgericht) nicht eingeht, weil sie an das Landgericht gerichtet war.
2.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen gegen die Versäumung der Frist zur Bezeichnung des Rechtsmittels als Revision und deren Begründung ist ausgeschlossen.
3.
Eine Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht führt zu einer Entscheidung nach § 348 Abs. 1 und 2 StPO analog.
Verfahrensgang
AG Pirna (Entscheidung vom 22.11.2004; Aktenzeichen 2 Ls 117 Js 12693/04) |
Tenor
Das Oberlandesgericht Dresden erklärt sich für unzuständig.
Die Sache wird an das zuständige Landgericht Dresden abgegeben.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Pirna - Jugendschöffengericht - hat den Angeklagten am 22. November 2004 wegen Steuerhehlerei unter Einbeziehung anderer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
Gegen das Urteil legte der Angeklagte über seinen Verteidiger am 26. November 2004 "Rechtsmittel" ein. Nach Fertigstellung des Protokolls am 03. Dezember 2004 verfügte der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts am 07. Dezember 2004 die Zustellung des Urteils an den Verteidiger und übersandte die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Landgericht Dresden - Berufungskammer -. Das Urteil wurde dem Verteidiger am 17. Dezember 2004 zugestellt.
Am 05. Januar 2005 bat das Landgericht - Jugendkammer - den Verteidiger um Mitteilung des Ziels der Berufung. Am 07. Januar 2005 antwortete der Verteidiger, dass ihm das Urteil am 17. Dezember 2004 zugestellt worden sei. Es werde fristgerecht mitgeteilt werden, ob das Rechtsmittel als Berufung oder Revision geführt werden solle.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2005 bezeichnete der Verteidiger das Rechtsmittel als Revision, stellte einen Revisionsantrag und begründete die Revision mit einer in einzelnen Punkten näher ausgeführten Sachrüge. Das an das Landgericht adressierte Schreiben ging dort vorab per Telefax am 17. Januar 2005 ein. Eine unmittelbare Weiterleitung des Schreibens an das Amtsgericht erfolgte nicht. Am 19. Januar 2005 verfügte der Vorsitzende der Jugendkammer die Versendung der Akten an das Amtsgericht.
Am 24. Januar 2005 nahm der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts Kenntnis und verfügte nunmehr die Vorlage der Akten über die Staatsanwaltschaft an das Oberlandesgericht.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, auf die form- und fristgerechte Revision das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
II.
Das Oberlandesgericht Dresden ist für eine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten nicht zuständig, weil das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln ist.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist die Revision des Angeklagten zwar frist- und formgerecht eingelegt, aber nicht fristgerecht gegenüber dem zuständigen Gericht begründet worden.
1.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts stand dem Angeklagten sowohl das Rechtsmittel der Berufung als auch das Rechtsmittel der Sprungrevision zu (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO, 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1, 108 Abs. 1 JGG). Mit dem nicht näher bezeichneten "Rechtsmittel" hatte der Angeklagte dieses Urteil zunächst unbestimmt angefochten und die Wahl zwischen Berufung und Revision offen gelassen. Diese Art der Anfechtung war in Erweiterung des § 335 StPO zulässig, weil der Angeklagte die Entscheidung über das geeignete Rechtsmittel in der Regel erst nach Kenntnis der Urteilsgründe treffen kann (BGHSt 2, 63; 5, 338; 6, 206). Das Rechtsmittel war auch form- und fristgerecht (§§ 314 Abs. 1, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) bei dem zuständigen Amtsgericht eingelegt worden.
2.
Eine endgültige Wahl über das durchzuführende Rechtsmittel kann in diesen Fällen nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) getroffen werden; wird keine Wahl getroffen, so wird das Rechtsmittel als Berufung durchgeführt (BGSt 2, 63; 5, 338; 33, 183 [189]; 40, 395 [398]). Entsprechendes gilt auch, wenn die Revisionsbegründung, die die Wahl der Revision enthält, innerhalb der Begründungsfrist bei dem zuständigen Gericht, also dem Amtsgericht (§ 345 Abs. 1 StPO), nicht eingeht, weil sie an das Landgericht gerichtet war (BGSt 40, 395 [398]; LR-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 335 Rdn. 9; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 335 Rdn. 4).
So liegt der Fall hier. Das Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am 17. Dezember 2004 zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO lief deshalb am 17. Januar 2005 ab. An diesem Tag wurde das bis dahin unbenannte Rechtsmittel erstmals als Revision bezeichnet, begründet und mit einem Revisionsantrag versehen. Dieses Schreiben war jedoch an das Landgericht gerichtet und hat das Amtsgericht erst aufgrund der Verfügung des Vorsitzenden der Jugendkammer...