Leitsatz (amtlich)

1. Für eine strafbare Teilnahme an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen i.S.d. § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB genügt es, wenn sich der Angeklagte in Kenntnis geplanter Gewalttaten einem Demonstrationszug anschließt, in ihm als Einheit mit marschiert, den Demonstrationsteilnehmern, welche aus dem Zug ausscheren und Gewalttaten verüben ein Gefühl der Solidarität vermittelt, sie bestärkt und ihnen ermöglicht, wieder in der Gruppe unterzutauchen.

2. Auch wenn der Angeklagte selbst kein Regelbeispiel gemäß § 125a Nrn. 1 bis4 StGB verwirklicht hat, kommt die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs dann in Betracht, wenn der Angeklagte mit anderen zusammenwirkt, welche ein Regelbeispiel verwirklicht und durch besonders massive und brutale Vorgehensweise einen hohen Gesamtschaden angerichtet haben.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 03.12.2019; Aktenzeichen 2 OLG 25 Ss 174/20)

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 03. Dezember 2019 wird einstimmig als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Leipzig hat den Angeklagten mit Urteil vom 28. November 2018 wegen Landfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 29. November 2018 Berufung eingelegt. Das Landgericht Leipzig hat die Berufung mit Urteil vom 03. Dezember 2019 als unbegründet verworfen.

Hiergegen hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers am 09. Dezember 2019 Revision eingelegt. Nach Zustellung des Urteils am 21. Januar 2020 hat der Verteidiger des Angeklagten das Rechtsmittel am 07. Februar 2020 begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat mit Schreiben vom 25. Februar 2020 beantragt, die Revision durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg, weil die Nachprüfung des landgerichtlichen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Die allein erhobene Sachrüge ist nicht begründet.

1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125 Abs. 1 StGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht.

a) Der objektive Tatbestand des Landfriedensbruchs ist nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts erfüllt. Ein Darstellungsmangel liegt nicht vor.

Soweit die Revision beanstandet, dass die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der "Menschenmenge" im Sinne des § 125 Abs. 1 StGB widersprüchlich seien, trifft dies nicht zu. Eine Menschenmenge im Sinne dieser Vorschrift ist eine räumlich zusammengeschlossene Personenmehrheit, welche so groß ist, dass eine unmittelbare Kommunikation unter allen Mitgliedern nicht mehr möglich ist und die in ihrer Zusammensetzung nicht unmittelbar überschaubar ist, so dass es auf das Hinzukommen oder Weggehen Einzelner nicht mehr ankommt (siehe Fischer, StGB, 67. Aufl., § 124 Rdnr. 5). Der Revisionsführer räumt selbst ein, das Landgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich am fraglichen Tatabend des 11. Januar 2016 in Y...... eine Gruppierung von ca. 250 Personen einschließlich des Angeklagten gebildet hatte, welche sich - formiert zu einem Marschblock - durch die W......-Straße in Bewegung setzte (UA S. 5). Eine derart große Menschenmenge ist in ihrer Zusammensetzung nicht unmittelbar - d. h. auf den ersten Blick - überschaubar. Es kommt bei der Qualifizierung einer Menschenmenge im Gegensatz zur Ansicht der Revision gerade nicht darauf an, dass die Menge gar nicht überschaubar ist. Deswegen handelt es sich um keinen Widerspruch in den Feststellungen, wenn das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 14) ausführt, dass sich die Gruppierung in den in Augenschein genommenen Videos auf der nächtlichen Straße als "noch recht überschaubar" dargestellt hat.

Das Landgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass aus dieser Menschenmenge heraus mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Sachen und Menschen begangen wurden, indem einzelne Personen aus der Menschenmenge auf ein gemeinsames Kommando hin erhebliche Zerstörungen an Schaufensterscheiben, Autos und anderen Gegenständen in der W......-Straße anrichteten und den Anwohner Q...... verletzten, wobei sie dabei von den übrigen Teilnehmern des Aufmarsches einschließlich des Angeklagten dadurch unterstützt wurden, dass diese mit den Tätern der Sachbeschädigungen und der Körperverletzung, welche seitlich ausscherten und die Gewalttätigkeiten verübten, als Einheit mitmarschierten und sie dadurch bestärkten sowie ihnen ermöglichten, jeweils nach vorgenommenen Zerstörungen wieder unerkannt in der Gruppe unterzutauchen (siehe UA Seiten 5 und 9).

Durch die Gewalttätigkeiten ein...

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