Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob die Kündigung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages unwirksam ist, fällt in die Zuständigkeit der Sozialgerichte.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Beschluss vom 24.08.2016; Aktenzeichen 03 O 1602/15) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Leipzig vom 24.8.2016 - 3 O 1602/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 300,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Fortbestand einer privaten Krankheitskosten- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin hat ihre bei der Beklagten zunächst bestehende private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung wegen der vermeintlichen Aufnahme in eine Familienversicherung gekündigt. Nach Rücknahme der Kündigung begehrt sie, die Beklagte zur Gewährung von Versicherungsschutz zu verurteilen.
Das LG hat das Verfahren betreffend die Feststellung des Pflegeversicherungsschutzes durch den angefochtenen Beschluss abgetrennt und den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht Leipzig verwiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beklagten hat es nicht abgeholfen und das Verfahren dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das LG hat den Rechtsstreit zu Recht im Hinblick auf die begehrte Feststellung privaten Pflegeversicherungsschutzes abgetrennt und an das Sozialgericht verwiesen. gem. § 51 Abs. 2 S. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in den dort genannten Angelegenheiten. Dies gilt gem. § 51 Abs. 2 S. 2 SGG für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Sozialgesetzbuch) entsprechend. Damit werden der Sozialgerichtsbarkeit durch Abs. 2 bei Streitigkeiten betreffend die private oder gesetzliche Pflegeversicherung ausdrücklich auch privatrechtliche Streitigkeiten zugewiesen. Die nach dem Wortlaut des Gesetzes bestehende Rechtswegzuweisung beider Zweige der Pflegeversicherung zur Sozialgerichtsbarkeit wird auch durch die Gesetzesbegründung bestätigt (vgl. BT-Drs. 14/5943 zu Nr. 22 (§ 51), S. 24). Danach soll "Absatz 2 entsprechend dem geltenden Recht auch alle privatrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere die Streitigkeiten zwischen den bei privaten Pflegeversicherungsunternehmen, Pflichtversicherten und diesen Unternehmen sowie Streitigkeiten zwischen Leistungserbringern und Trägern der Pflegeversicherung und deren Verbände" erfassen. Die Zuständigkeit der Sozialgerichte bezieht sich auf den gesamten Bereich des Leistungs- und Leistungserbringungsrecht des SGB XI - aber immer nur insoweit, als es um die Auslegung von Vorschriften des SGB XI geht (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.8.2016, 7 W 37/16 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 24.2.2015 - 6 W 12/15 -, Rn. 6, juris), wie sich aus dem Klammerzusatz "Elftes Buch Sozialgesetzbuch" in Abs. 2 S. 2 ergibt. Zu den privatrechtlichen Angelegenheiten nach dem SGB XI gehören insbesondere Ansprüche aus dem privatrechtlichen Pflege(pflicht)versicherungsvertrag, einschließlich z.B. der Einforderung rückständiger Beiträge und Kündigung (vgl. Michael Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 51, Rn. 64, u.a. mit Verweis auf LSG Berlin, Urteil vom 28.1.2004 - L 17 P 31/01 -, juris, vgl. ferner BSG, Urteil vom 29.11.2006 - B 12 P 1/05 R -, BSGE 97, 285-292). Im vorliegenden Fall finden Vorschriften des SGB XI Anwendung. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung des privaten Pflegeversicherungsvertrages möglich ist, wird durch § 27 SGB XI geregelt, der wiederum auf § 25 SGB XI (Familienversicherung) und § 5 Abs. 9 SGB V verweist.
Auch nach dem Beschluss des BSG vom 9.2.2005 - B 3 SF 1/05 R (NZS 2007, 34) bezieht sich die Rechtswegzuweisung des § 51 Abs. 2 S. 2 SGB XI auf den gesamten Bereich des Leistungs- und Leistungserbringungsrechtes des SGB XI "insoweit, als es um die Auslegung von Vorschriften des SGB XI geht". Entscheidend ist danach, "ob die Vorschriften, die zur Klärung der streitigen Rechtsfragen heranzuziehen und auszulegen sind, zumindest im Grundsatz im SGB XI geregelt sind". Dies sind im vorliegenden Fall die bereits zitierten Vorschriften. Dem steht auch nicht entgegen, dass auch Regelungen des SGB V bei der Entscheidung heranzuziehen sind, wie die Beschwerde geltend macht. Denn in § 27 SGB XI wird lediglich eine entsprechende Geltung dieser Vorschriften für den Bereich der Pflegeversicherung angeordnet. Maßgeblich bleiben danach allein Regelungen des SGB XI. Dass neben den bezeichneten sozialrechtlichen Vorschriften gegebenenfalls auch privatrechtliche Normen des BGB zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung heranzuziehen sind, steht dem nicht entgegen.
Der Beschwerdewert war gem. § 3 ZPO auf 1/5 des Hauptsachestreitwertes festzusetzen.
Fundstellen
Dokument-Index HI10174858 |