Leitsatz (amtlich)
1. Ein Haustürgeschäft i.S.v. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB liegt nicht nur vor, wenn der Verbraucher unaufgefordert im Bereich einer Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz mit dem Ziel eines Vertragsschlusses angesprochen wird, mag er seine dadurch veranlasste Vertragserklärung auch erst später in Abwesenheit des Unternehmers oder sogar in dessen Geschäftsräumen abgeben. Vielmehr kann ein Widerrufsrecht auch umgekehrt bei einer Erstansprache im Geschäftslokal des Unternehmers und Fortführung der Verhandlungen in einer Privatwohnung oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers bestehen, sofern die Fortsetzungsverhandlung nicht auf einer vorhergehenden Bestellung i.S.v. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB beruht.
2. Erweckt der Unternehmer, der ein in einer Haustürsituation ohne Widerrufsbelehrung abgegebenes (Werkvertrags-)Angebot "bestätigt", es aber in Wahrheit nicht uneingeschränkt annimmt, sondern in einem Einzelpunkt eine Entscheidung für eine von zwei neuen Alternativen verlangt, im Bestätigungsschreiben den unzutreffenden Eindruck eines bereits verbindlich geschlossenen Vertrages, wirkt die ursprüngliche Haustürsituation bei Abgabe der neuen Vertragserklärung des Verbrauchers fort und gebietet es außerdem das Umgehungsverbot des § 312 f. Satz 2 BGB, die Widerrufsmöglichkeit auch auf die zweite Willenserklärung zu erstrecken. Dies gilt selbst dann, wenn der Verbraucher vor Abgabe der neuen Willenserklärung einen Vertreter des Unternehmers zum Zwecke der Verhandlung über den vermeintlich allein regelungsbedürftigen Punkt aufgesucht oder zu sich in die Wohnung bestellt hat.
Normenkette
BGB § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 312f S. 2, § 313
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 1561/06) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.3.2007. Sie möge ggf. erwägen, das Rechtsmittel zur Vermeidung weiterer, nicht unerheblich höherer Verfahrenskosten zurückzunehmen.
Gründe
I. Die Klägerin, Anbieterin von Fertighäusern, nimmt die beklagten Eheleute aus einem nicht ins Ausführungsstadium gelangten "Hausvertrag" gem. § 649 BGB in Anspruch. Sie begehrt in der Hauptsache Zahlung von 13.830,80 EUR (= 10 % der Auftragssumme). Das LG hat die Klage mit Urteil vom 20.12.2006, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Dagegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin.
II. Das Rechtsmittel hat, ohne dass zulassungsrelevante Fragen i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO entscheidungserheblich werden, keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch aus § 649 BGB steht der Klägerin nicht zu.
1. Das LG hat sich in den Entscheidungsgründen sogleich der Frage zugewandt, ob die Beklagten "den Hausvertrag vom 15.09./20.10.2005" nach den Regelungen des "Haustürwiderrufsgesetzes" wirksam widerrufen haben. Mit der grundsätzlich vorrangigen Frage, ob überhaupt und durch Austausch welcher übereinstimmenden Willenserklärungen ein Vertrag zustande gekommen ist, hat es sich nicht näher befasst. Entsprechende ausdrückliche Feststellungen fehlen. Das ist nachzuholen, zumal die Prüfung des Bestehens eines Widerrufsrechtes gem. § 312 BGB nur auf eine konkrete - nämlich die maßgebliche - Vertragserklärung des Verbrauchers bezogen werden kann.
a) Die Vertragserklärung der Beklagten vom 15.9.2005 hat ihre anfängliche rechtsgeschäftliche Bedeutung verloren, ohne dass es auf haustürwiderrufsrechtliche Fragen ankommt.
aa) Zum einen hat die Klägerin nicht konkret dargetan, dass sie auf dieses Auftragsangebot der Beklagten, wie sie es sich im entsprechenden Formular selbst ausbedungen hatte, innerhalb von vier Wochen durch schriftliche Bestätigung reagiert hat. Wann ihr Bestätigungsschreiben vom 7.10.2006 abgesendet worden ist und die Beklagten erreicht hat, ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Dementsprechend kann ein Zugang vor Ablauf von vier Wochen (13.10.2006) nicht festgestellt werden. Eine verspätete Annahme gilt als neuer Antrag, §§ 148, 150 Abs. 1 BGB. Für die besonderen Voraussetzungen des § 149 BGB ist nichts dargelegt.
bb) Zum anderen hat die Klägerin das Angebot der Beklagten vom 15.9.2006 nicht uneingeschränkt angenommen. Vielmehr hat sie im Bestätigungsschreiben vom 7.10.2005 (Anlage K 16) und in der vorbereiteten neuen Auftragsbestätigung vom selben Tag (Anlage K 3) eine Änderung insoweit vorgenommen, als sie hinsichtlich des gewünschten, von ihr in dieser Form nicht gebilligten Energiepaketes zwei Alternativen offerierte (entweder Ausführung bei Wahl der höheren Ausbaustufe "technikfertig" und dadurch Preiserhöhung um 24.058 EUR oder Wegfall des Energiepaketes und dadurch Preisreduzierung um 7.850 EUR). Darin lag gem. § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot.
b) Das neue Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Werkvertrages haben die Beklagten durch Unterzeichnung der Auftragsbestätigung am 20.10.2005 - nachdem die zweite, von ihne...