Leitsatz (amtlich)
Das Auftreten von Paravasaten bei der Verwendung eines Portsystems kann nicht in jedem Fall ausgeschlossen werden. Eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über den vollbeherrschbaren Bereich kommt hier nicht in Betracht.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 1039/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.05.2020 wird aufgehoben.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 15.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die von dem Kläger aus übergegangenem Recht geltend gemachten Anspruch unter Verweis auf das eingeholte nervenfachärztliche Sachverständigengutachten nebst Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2019 abgewiesen. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 630 a ff., 280, 249, 252 BGB zu. Der für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers beweisbelastete Kläger hat nicht bewiesen, dass den Beklagten ein schuldhafter Behandlungsfehler anlässlich der Behandlung seines Vaters zur Last fällt.
Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, dass der Wechsel der Portnadel am 27.03.2015 durch das Personal der Beklagten standardwidrig erfolgt ist. Der hierzu befragte Sachverständige Prof. Dr. B...... hat es als möglich bezeichnet, dass auch bei versierter Nutzung der Portnadeln eine Injektion nicht gelingt oder nach einiger Zeit die Nadel aus dem System sich herauslöst, weil die Fixierung der Nadel auf der Haut verrutscht ist oder beim Bewegen versehentlich und unbemerkt herausgezogen wird. Das Auftreten eines Paravasats mit Nährstofflösung, hier noch dazu in geringer Menge, sei daher keine Komplikation, die den Rückschluss auf ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen gebiete. Der Sachverständige hat das Vorgehen der behandelnden Ärzte bei der Verwendung des Portsystems und nach dem Auftreten des Paravasats mit überzeugenden Erwägungen insgesamt unbeanstandet gelassen. Die Verwendung des Portsystems sei wegen der notwendigen Medikamentengabe und wegen eines vorliegenden Kurzdarmsyndroms indiziert gewesen. Anhaltspunkte für eine nicht fachgerechte Nutzung des Portsystems konnte der Sachverständige nicht feststellen. Allein aus dem Auftreten eines Paravasats kann entgegen der Ansicht der Berufung noch nicht auf einen Behandlungsfehler bei der Verwendung des Portsystems geschlossen werden.
Zu Unrecht zweifelt der Kläger in diesem Zusammenhang die fachliche Kompetenz des neurologischen Sachverständigen Prof. Dr. B... an. Der Vater des Klägers wurde in die Einrichtung der Beklagten zu 1 verlegt zur Behandlung einer bei ihm nach einer - in einer anderen Klinik durchgeführten - Herzklappenersatzoperation aufgetretenen Critical-illness-Polyneuropathie und damit wegen Schäden des peripheren Nervensystems (vgl. Verlegungsbrief vom 08.06.2015, Anlage K2). Nach dem Grundsatz der fachgleichen Begutachtung war die Festlegung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Behandlungsstandards somit einem neurologischen Sachverständigen vorbehalten (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juli 2019 - 4 U 510/17 -, Rn. 21, juris). Der Sachverständige kann als Facharzt für Neurologie auch die im Zusammenhang mit der Portimplantation stehenden medizinischen Fragen sachverständig beurteilen. Denn nach der Weiterbildungsordnung werden während der Weiterbildung zum Facharzt der Neurologie neben Kenntnissen der intensivmedizinischen Basisversorgung auch Kenntnisse der Punktions- und Katheterisierungstechniken einschließlich der Gewinnung von Untersuchungsmaterial aus dem Liquorsystem, und insbesondere auch Kenntnisse der Infusions-, Transfusions- und Blutersatztherapie, der enteralen und parenteralen Ernährung erlangt (vgl. Weiterbildungsordnung der Sächsischen Landesärztekammer (Weiterbildungsordnung - WBO) vom 26. November 2005, S. 39f, abrufbar unter www.Slaek.de).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist behandlungsfehlerhaftes Vorgehen beim routinemäßig durchgeführten Wechsel der Portnadel auch nicht nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Risikos nachgewiesen. Eine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt eines voll beherrschbaren Geschehens kommt nicht in Betracht; denn Anlage und Ve...