Normenkette
HausratsVO §§ 1, 8
Verfahrensgang
AG Stollberg (Aktenzeichen 4 F 13/03) |
Tenor
Zuständig ist das AG – FamG – Stollberg.
Gründe
I. Die Parteien sind seit 1982 verheiratet, leben aber seit Dezember 2000 getrennt. Das Scheidungsverfahren ist seit 2002 anhängig. 1996 erwarb der Beklagte für 65.000 DM, welche teilweise durch ein von beiden Eheleuten aufgenommenes Darlehen finanziert wurden, eine gebrauchte Motorjacht. Die Klägerin berühmt sich des hälftigen Miteigentums.
Mit Klage vom 20.9.2002 zum LG Chemnitz begehrt sie Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft zwecks freihändigen Verkaufs des Schiffes, dessen Zeitwert sie mit 42.565,05 Euro beziffert. Das LG verwies den Rechtsstreit am 7.1.2003 an das AG – FamG – Stollberg, da es sich um eine Hausratssache handele. Das FamG ersuchte – vergeblich – die allgemeine Prozessabteilung des AG Stollberg um Übernahme und legte die Sache schließlich dem OLG zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.
II. Das OLG ist analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des Kompetenzstreites zwischen den beiden Abteilungen des AG Stollberg berufen (BGH v. 5.3.1980 – IV ARZ 2/80, MDR 1980, 564 = NJW 1980, 1282; BayObLG v. 24.9.1981 – AllgReg. 78/81, MDR 1982, 154 = FamRZ 1982, 399). Dabei ist entscheidend, ob es sich vorliegend tatsächlich um eine familienrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 8 GVG oder um eine allgemeine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt; denn die Verweisung an das AG – FamG – Stollberg durch das LG bindet nur das AG als solches, qualifiziert damit den Rechtsstreit aber noch nicht als Familiensache (BGH v. 5.3.1980 – IV ARZ 2/80, MDR 1980, 564 = NJW 1980, 1282; v. 14.7.1993 – XII ARZ 16/93, MDR 1993, 1236; BayObLG v. 14.11.1991 – AR 1Z 84/91, NJW-RR 1993, 10).
III. Zuständig ist die Familienabteilung des AG Stollberg, weil es sich bei der Motorjacht „…” um einen Hausratsgegenstand handelt.
1. Hausrat umfasst alle beweglichen Sachen einschließlich wesentlicher Bestandteile und Zubehör, die nach den Einkommens-, Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten und ihrer Kinder üblicherweise der Einrichtung der Wohnung, der Hauswirtschaft und dem Zusammenleben der Familie einschließlich der Freizeitgestaltung, also der gemeinsamen Lebensführung dienen oder zu dienen bestimmt sind. Als Voraussetzung wird hierbei die Eignung der betroffenen Gegenstände als Hausrat und die Zweckbestimmung zu ihrer tatsächlichen Verwendung im Rahmen der gemeinsamen Lebensführung der Familie betrachtet. Anschaffungsmotiv, Anlass der Anschaffung, Herkunft der Mittel sowie Wert oder Qualität eines Hausratsgegenstandes stellen ebenso wie die Eigentumslage keine sachgerechten Kriterien für die Abgrenzung dar (vgl. Gerhardt/Heintzschel-Heinig/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 4. Aufl., 8. Kap. Rz. 167; Johannsen/Henrich-Brudermüller, Eherecht, 3. Aufl., § 1361a BGB Rz. 10 ff.). Selbst wertvolle Antiquitäten und Kunstobjekte können Hausrat sein, wenn sie nicht ausschließlich zwecks Kapitalanlage angeschafft wurden (BGH v. 14.3.1984 – IVb ARZ 59/83, MDR 1984, 829 = FamRZ 1984, 575; OLG Bamberg v. 1.7.1996 – 2 WF 48/96, FamRZ 1997, 378). Auch eine Segeljacht kann Hausratsgegenstand sein (LG Ravensburg v. 31.3.1995 – 3 O 2221/94, FamRZ 1995, 1585). Dabei kommt es bei Gegenständen, die nach allgemeinem Sprachgebrauch und Verkehrsauffassung nicht ohne weiteres dem Hausrat zuzuordnen sind, auf die von den Eheleuten gemeinsam vorgenommene Widmung an (BayObLG v. 24.9.1981 – AllgReg. 78/81, MDR 1982, 154 = FamRZ 1982, 399; OLG Düsseldorf v. 18.7.1991 – 3 WF 97/91, FamRZ 1992, 60), also darauf, ob der Gegenstand nach den Lebensverhältnissen der Eheleute ganz oder überwiegend dazu bestimmt ist, für das eheliche und familiäre Zusammenleben, einschließlich der Freizeit- und Urlaubsgestaltung, benutzt zu werden.
2. Nach diesen Kriterien handelt es sich vorliegend bei der Motorjacht „…” – trotz ihres erheblichen Wertes – um einen Hausratsgegenstand. Nach Vortrag des Beklagten verbrachte die Familie seit Erwerb des Bootes in den Schulferien der Tochter (mit Ausnahme der Weihnachts- und Winterferien) praktisch jeden Urlaub in dem in … bei … liegenden Schiff und zusätzlich in den Monaten April bis Oktober noch jedes 5. Wochenende. Nach Vortrag der Klägerin trifft dies für den Sommerurlaub eines jeden Jahres sowie für mehrere Wochenenden im Jahr zu. Damit ist davon auszugehen, dass das Schiff der gemeinsamen Freizeit- und Urlaubsgestaltung der Familie diente und nicht ausschließlich den persönlichen Interessen des Beklagten. Das bedeutet, dass der Streit der Parteien um Eigentumsverhältnisse und Verwertung des Schiffes vom FamG Stollberg zu entscheiden ist.
M. S. K.
Fundstellen
Haufe-Index 1104428 |
FamRZ 2004, 273 |
FPR 2003, 596 |
MDR 2003, 995 |
FamRB 2004, 1 |
OLG-NL 2003, 277 |
OLGR-NBL 2003, 232 |