Leitsatz (amtlich)

Der Beschluss, mit dem Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wird, erstreckt sich nicht auf Terminsgebühren, die durch die Verhandlung über die nicht rechtshängigen, aber vom Vergleich erfassten Ansprüche entstehen.

 

Verfahrensgang

AG Hohenstein-Ernstthal (Aktenzeichen 3 F 156/11)

 

Tenor

Der Antrag auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf die zum Vergleich führende Verhandlung wird abgelehnt.

 

Gründe

1. Der Vertreter der Antragstellerin hat mit Schreiben vom 5.2.2014 (GA 249) beantragt, die Verfahrenskostenhilfe auch auf die Verhandlung über die nicht rechtshängigen, aber vom gerichtlichen Vergleich erledigten Ansprüche zu erstrecken.

In der Sitzung war Verfahrenskostenhilfe auch für den Abschluss eines Vergleichs über verfahrensfremde Gegenstände bewilligt worden.

2. Insoweit ist allerdings die Erweiterung der Verfahrenskostenhilfe ausgeschlossen.

Wird die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf einen Vergleichsabschluss über nicht anhängige Gegenstände erstreckt, kann der beigeordnete Anwalt keine Terminsgebühr aus dem Mehrwert verlangen. Denn es besteht weder ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe außerhalb der Streitgegenstände (vgl. a), noch gebieten dies die einschlägigen Vorschriften (vgl. b).

a) Der Senat geht davon aus, dass grundsätzlich für im Verfahren nicht anhängige Streitgegenstände Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 8.6.2004 - VI ZB 49/03 - juris, Rz. 8 ff.). Die Erstreckung rechtfertigt sich allein aus dem Ergebnis (dem Vergleich), sie umfasst damit allerdings nicht vorhergehende Tätigkeiten.

Die Fallkonstellation des vom BGH entschiedenen Falls (Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren) und dem hiesigen (Prozesskostenhilfe für verfahrensfremden Gegenstand) ist vergleichbar. Grundsätzlich kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2014 - 23 WF 1209/13 - juris, Rz. 9-12).

b) Auch die Vorschriften über die Vergütung für Terminsgebühren rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

Denn der Vergütungsanspruch im Falle der Verfahrenskostenhilfe bestimmt sich nach dem bewilligenden Beschluss (§ 48 Abs. 1 RVG). Vergleichsabschlüsse und vorbereitende Handlungen sind davon nicht automatisch umfasst. Der geregelte Fall des Abschlusses eines Vergleichs in einer Ehesache (§ 48 Abs. 3 RVG) liegt nicht vor, denn es handelt sich um eine isolierte Familienstreitsache (vgl. §§ 121, 111 Nr. 1, 112 FamFG). Die Terminsgebühr ist nicht durch den Vergleichsschluss entstanden, sondern schon dadurch, dass im Termin Verhandlungen über nicht rechtshängige Sache geführt wurden (Nr. 3104 Abs. 2 RVG-VV). Eines Vergleichsschlusses bedurfte es hierzu nicht. Damit wäre zur Erstattungsfähigkeit erforderlich gewesen, beide erhöhte Gebühren im Bewilligungsbeschluss zu erwähnen (vgl. zu diesem Argument OLG Hamm vom 14.2.2012 - 25 W 23/12 - juris, Rz. 9).

aa) Zwar erstreckt sich die Terminsgebühr (Nr. 3104 RVG-VV) möglicherweise auch auf Einigungen über nicht rechtshängige Ansprüche (vgl. Nr. 3104 II VV-RVG). Auch fallen inzwischen auch Anhörungstermine und außergerichtliche Besprechungen unter die Terminsgebühr, wenn die gerichtliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergeht (vgl. BT-Drucks. 17/11471, dort S. 274 f.), also unabhängig davon, ob für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.

bb) Dies ist aber keine Automatik, die im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe übernommen werden könnte. Insbesondere hat der Gesetzgeber trotz Kenntnis dieser Frage im Rahmen dernÄnderungen im RVG, die gerade Rechtsprechungsfragen zum Entstehen von Terminsgebühren betrafen, insoweit (insbesondere bei § 48 Abs. 3 RVG) gerade keine Änderung vorgenommen. Vielmehr hat er auch für zusammenhängende Verfahren nur bei einer ausdrücklichen Erweiterung der Beiordnung eine Verfahrenskostenhilfe gewährt (§ 48 Abs. 5 Satz 1 RVG). Damit ist der hiesige Fall vergleichbar.

Die Beiordnung in einer Ehesache hat er gerade nicht auf andere Verfahren erstreckt, insbesondere nicht auf Familienstreitsachen (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1 RVG). Dies entspricht auch den Ausführungen zur Terminsgebühr, die gerade nur ausdrücklich die wirksame Beiordnung vor Beginn des Termins enthält, selbstverständlich in Bezug auf die rechtshängigen Verfahrensteile (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 48 RVG, Rz. 92, 93; OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2014 - 23 WF 1209/13, a.a.O., Rz. 14; gegen die Entstehung der Terminsgebühr auch OLG Hamm v. 14.2.12, 25 W 23/12 - juris; OLG Köln v. 1.3.2012 - 12 WF 29/12 - juris; OLG Dresden v. 4.8.2011 - 23 WF 475/11 - juris; OLG Bamberg v. 21.3.2011 - 4 W 42/10 - juris; OLG Celle v. 21.1.2011 - 10 WF 6/11 - juris; OLG München v. 19.3.2009 - 11 WF 812/09 - juris; für die Gegenansicht: OLG Koblenz v. 6.6.2006 - 14 W 328/06 - juris; OLG Köln v. 29.4.2013 - 25 WF 235/13; v. 14.4.2013 - 10 WF 38/13 - juris; OLG Schleswig-Holstein v. 14.2.2012 - 15 WF 399/11 - j...

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