Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn die Aussetzung im Ermessen des Ausgangsgerichts steht, hat das Beschwerdegericht uneingeschränkt zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund besteht.
2. In Arzthaftungssachen kommt eine Aussetzung wegen eines gegen den Arzt geführten Ermittlungs- oder Strafverfahrens regelmäßig nicht in Betracht (Festhaltung Beschluss vom 15. August 2019 - 4 W 653/19).
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 212/18) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 15.04.2020 - Az. 1 O 212/18 - wird
zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und Schadenersatz infolge eines behaupteten Pflegefehlers zum Nachteil seiner verstorbenen Ehefrau. Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten zu behaupteten Behandlungsfehlern eingeholt.
Mit Schriftsatz vom 14.04.2020 hat die Beklagte einen Antrag gestellt, das Verfahren gemäß § 149 ZPO im Hinblick auf ein bei der Staatsanwaltschaft G...... gegen ihre Mitarbeiter geführtes Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung, das auf einer Strafanzeige des Klägers beruht, auszusetzen. Mit Beschluss vom 15.04.2020 hat das Landgericht den Antrag abgelehnt.
In einem am 04.05.2020 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag hat die Beklagte hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass sie nach Auskunft der Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen als erforderlich erachte, die auch Auswirkungen auf das Zivilverfahren haben könnten. Die Aussetzung sei daher geboten, auch um eine weitere Sachverhaltsaufklärung durchführen zu können und der Gefahr widerstreitender Sachverhaltsfeststellungen zu begegnen. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 08.06.2020 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht Dresden vorgelegt. Aus den beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens ergäben sich keine Anhaltspunkte, die auf eine Förderung oder Beschleunigung des Zivilverfahrens schließen lassen würden.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Ziffer 1, 569 ZPO zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat sich in dem angefochtenen Beschluss mit zutreffenden Erwägungen entschieden, den Rechtsstreit nicht gem. § 149 ZPO auszusetzen.
Da die Aussetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (vgl. §§ 148, 149 ZPO), kann die Entscheidung des Landgerichts im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gem. § 149 ZPO gegeben ist (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 252 Rdn. 8). In Arzthaftpflichtsachen kommt eine Aussetzung aber regelmäßig nicht in Betracht (vgl. Senat, Beschluss vom 15.08.2019, - 4 W 653/19 -, juris m.w.N.). Aus begleitenden Strafverfahren können nämlich durchweg keine Erkenntnisse erwartet werden, die so gewichtig sind, dass der Zivilrechtsstreit zunächst nicht weiter betrieben zu werden braucht (vgl. Senat, a.a.O., m.w.N.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Anmerk. E 26 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr.). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren zu den Umständen des Aufenthaltes der Verstorbenen bei der Beklagten keinen fördernden oder beschleunigenden Einfluss auf das Zivilverfahren haben könnte, zumal das Verfahren bereits zweimal eingestellt wurde, eine Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen ohnehin geboten sein dürfte und im Zivilverfahren andere Bewertungsmaßstäbe gelten. Dies ist nicht zu beanstanden, so dass die Ablehnung der Aussetzung zu Recht erfolgte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht 1/3 des Wertes der Hauptsache, der hier entsprechend den Klageanträgen zu 1 und zu 2 auf 30.000,- EUR festzusetzen ist, da es sich bei den geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten um eine nicht streitwerterhöhende Nebenforderung handelt.
Fundstellen
NJW-RR 2020, 1037 |
MedR 2020, 892 |