Leitsatz (amtlich)

Gibt der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme an, mit einer der Prozessparteien oder deren Ehegatten "lose befreundet" zu sein und hat darüber hinaus in der Vergangenheit eine kollegial-dienstliche Zusammenarbeit zu der Partei bestanden, ist in der Regel die Besorgnis der Befangenheit des Richters begründet.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 508/19)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten werden der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 5.7.2019 aufgehoben und ihr Ablehnungsgesuch vom 13.6.2019 für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Die Beklagte wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Landgericht einen von ihr gestellten Ablehnungsantrag gegen VRiLG K... abgelehnt hat. In dem zugrundeliegenden Verfahren hat der Richter mit Selbstanzeige vom 22.3.2019 auf eine längere Bekanntschaft seit Studententagen und eine gemeinsame Kammerzugehörigkeit für den Zeitraum von einem Jahr sowie eine "lose freundschaftliche" Beziehung seit 2001 zum Ehemann der Klägerin hingewiesen und ausgeführt, er halte sich nicht für befangen, wohl aber für verpflichtet, diese Umstände offenzulegen. Das Landgericht hat den darauf von der Beklagten gestellten Befangenheitsantrag mit der Begründung abgelehnt, der Ehemann der Klägerin habe nur wegen der Erkrankung einer Kollegin in der Kammer von VRiLG K... ausgeholfen, auch habe letzterer nicht bestätigt, dass sein Verhältnis zu diesem besonders und ungetrübt sei. Der sofortigen Beschwerde hat es nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Ablehnung war gem. § 46 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit von VRiLG K... für begründet zu erklären.

1. Ein die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigender Grund liegt nur vor, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (LSG München, Beschl. v. 27. Juli 2000 - L 5 AR 126/00 KR -, zitiert nach juris); es muss ein objektiv vernünftiger Grund gegeben sein, der die Partei von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen muss, der Richter werde in dem konkreten Verfahren nicht sachlich entscheiden (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rn. 20). Hierfür kommt es weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des Richters, ob er befangen sei oder nicht (LSG München, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5. November 1998 - 14 W 58/98 - juris; BFH, Beschl. v. 23. September 2004 - IX B 98/04 -, zitiert nach juris; Zöller-Vollkommer a.a.O. Rn. 9 m.w.N).

Allein die Tatsache, dass der Richter eine Prozesspartei persönlich seit längerem kennt, reicht allerdings nicht aus, um dessen Befangenheit annehmen zu können (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. März 2007 - L 2 AR 5/07 SAB -, Rn. 17 - 19, juris OVB Bautzen, Beschluss vom 5. April 2000 - 1 B 586/99 -juris; BFH, Beschluss vom 23. September 2004 - juris). Entscheidend ist - sofern nicht bereits ein Ausschließungsgrund i.S.d. § 41 Nr. 2 oder 3 ZPO gegeben ist - vor allem die Nähe der Beziehung. Eine lang dauernde und persönlich enge freundschaftliche Verbindung zu einer Prozesspartei und dessen Familie, die auch in familiären Ämtern (Trauzeuge, Firmpate) zum Ausdruck kommt, wird regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit begründen. Demgegenüber reicht allein ein kollegial-dienstliches Verhältnis des zur Entscheidung berufenen Richters zu einem Beteiligten für die Besorgnis der Befangenheit noch nicht. Vielmehr muss über das bloße kollegiale Verhältnis hinaus auch ein engeres persönliches Verhältnis bestehen. Dies kann anzunehmen sein, wenn Richterkollegen vor nicht allzu langer Zeit dem gleichen Spruchkörper angehört haben. Eine frühere gemeinsame Mitgliedschaft in einem Spruchkörper, die bereits seit geraumer Zeit beendet ist, führt aber nur dann zur Besorgnis der Befangenheit eines Richters, wenn aus ihr in der Zukunft fortwirkende Umstände resultieren, etwa eine Freundschaft oder Feindschaft (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. Juni 2004 - 1 BvR 336/04 -, juris, Rn. 8; Schoenfeld in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 146. Lieferung, § 51, Rn. 66).

2. Hiernach ist ausgehend vom Standpunkt einer vernünftigen Partei die Besorgnis der Befangenheit von VRiLG K... zwar nicht aufgrund der zwischenzeitlich beendeten und auch nur über einen Zeitraum von einem Jahr andauernden kollegialen Zusammenarbeit mit dem Ehemann der Klägerin in der 2. Zivilkammer, wohl aber im Hinblick auf das sich aus den dienstlichen Stellungnahmen des abgelehnten Richters ergebende persönliche Verhältnis zu diesem begründet. Ausgehend hiervon ist VRiLG K... mit ihm seit 19...

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