Leitsatz (amtlich)

Gegen ein jugendgerichtliches Berufungsurteil kann auch dann nicht Revision eingelegt werden, wenn die Berufung durch ein Urteil nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen worden ist. Gleichwohl darf der Tatrichter die Revision deshalb nicht als unzulässig verwerfen. Diese Entscheidung ist dem Revisionsgericht vorbehalten.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 16.09.2009; Aktenzeichen 4 Ns 408 Js 58781/04)

 

Tenor

1. Auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 16. September 2009 aufgehoben.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18. Juni 2009 wird als unzulässig verworfen.

3. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Jugendrichter - Leipzig hatte den Angeklagten im Nachverfahren gemäß § 30 JGG unter Aufrechterhaltung des Schuldspruchs zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten hatte das Landgericht am 18. Juni 2009 verworfen, weil der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht zur Hauptverhandlung erschienen war. Dem bei der Urteilsverkündung anwesenden Verteidiger des Angeklagten wurde eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung ausgehändigt, mit der der Angeklagte sowohl über den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung als auch über das Rechtsmittel der Revision belehrt wurde.

Am 23. Juni 2009 legte der Angeklagte Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts ein. Am 25. Juni 2009 legte auch der Verteidiger namens und in Vollmacht des Angeklagten gegen das Urteil Revision ein. Mit Schriftsatz vom 08. Juli 2009 nahm der Verteidiger ausdrücklich die von ihm eingelegte Revision zurück. Das Urteil wurde dem Verteidiger am 09. Juli 2009 zugestellt.

Mit Beschluss vom 16. September 2009 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils begründet worden war. Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger am 22. September 2009 zugestellt.

Mit einem am 23. September 2009 bei dem Landgericht eingegangenen Schreiben des Angeklagten legt dieser "Einspruch" gegen den Beschluss des Landgerichts vom 16. September 2009 ein.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Antrag des Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 16. September 2009 als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der als Antrag auf Entscheidung des Revivsionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO zu wertende "Einspruch" des Angeklagten hat lediglich einen Teilerfolg. Er führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts Leipzig vom 16. September 2009, jedoch auch zur Verwerfung der Revision als unzulässig.

1. Der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 16. September 2009 erweist sich als fehlerhaft. Der Angeklagte hat die Frist zur Begründung der von ihm selbst eingelegten und durch seinen Verteidiger nicht zurückgenommenen Revision gemäß § 345 Abs. 1 StPO bereits deshalb nicht versäumt, weil eine Revisionsbegründungsfrist nicht in Gang gesetzt werden konnte. Denn nach § 55 Abs. 2 Satz 1 JGG kann gegen das jugendgerichtliche Berufungsurteil nicht mehr Revision eingelegt werden. Dies gilt auch bei einer Verwerfung der Berufung durch ein Urteil nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO (OLG Düsseldorf JMBl NW 88, 33; MDR 94, 1141; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 329 Rdnr. 46). Denn die Revision ist schon dann nicht mehr statthaft, wenn durch die Einlegung einer zulässigen Berufung die Möglichkeit einer erneuten Sachentscheidung eröffnet war. Das Gesetz stellt dabei auf die Einlegung der Berufung, nicht auf deren Durchführung ab. Diese Voraussetzungen treffen auch bei einer Verwerfung der Berufung durch ein Urteil nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO zu (BGHSt 30, 98).

2. Die gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 JGG nicht statthafte und damit unzulässige Revision führt jedoch nicht dazu, dass der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Revisionsgerichts als unbegründet zu verwerfen ist. Dies wäre nur dann veranlasst, wenn sich die Revision aus Gründen als unzulässig erweist, die der Tatrichter hätte prüfen dürfen. Der Tatrichter ist jedoch auf die in § 346 Abs. 1 StPO bezeichneten Fälle beschränkt. Er darf eine Revision nicht deshalb als unzulässig verwerfen, weil sie gemäß § 55 Abs. 2 JGG nicht statthaft ist (BayObLG NJW 63, 63; Meyer-Goßner, § 346 Rdnr. 2). Die fehlende Prüfungskompetenz des Tatrichters führt im vorliegenden Fall deshalb dazu, dass der Beschluss des Landgerichts aufzuheben und durch einen Verwerfungsbeschluss nach § 349 Abs. 1 StPO zu ersetzen ist (Meyer-Goßner, § 346 Rdnr. 10 m.w.N. der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

III.

Von der Auferlegung der Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens hat der Senat bereits gemäß § 74 JGG abgesehen. Die Kosten hät...

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