Leitsatz (amtlich)
Bei dem unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv eines sozialen Netzwerks kann ohne näheren Nachweis konkreter Schäden ein Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden mit 500,00 EUR, Unterlassung, personenbezogene Daten ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherungsmaßnahmen zugänglich zu machen, mit 3.500,00 EUR, Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten mit 500,00 EUR bewertet werden.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 1 O 848/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Landgerichtes Chemnitz vom 05.06.2023 - 1 O 848/22 - wird zurückgewiesen. Der Beschluss wird von Amts wegen wie folgt abgeändert:
Der Streitwert wird auf 5.500 EUR festgesetzt.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Betreiberin des sozialen Netzwerkes xxx wegen behaupteter Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung auf immaterielle Entschädigung, Feststellung, Unterlassung und Auskunft in Anspruch.
Er vor dem Landgericht folgende Anträge gestellt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite immateriellen Schadensersatz in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.000,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
a. personenbezogenen Daten der Klägerseite, namentlich Telefonnummer, xxxID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus unbefugten Dritten über eine Software zum Importieren von Kontakten zugänglich zu machen, ohne die
nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen, um die Ausnutzung des Systems für andere Zwecke als der Kontaktaufnahme zu verhindern,
b. die Telefonnummer der Klägerseite auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf "privat" noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert und, im Falle der Nutzung der xxx-Messenger App, hier ebenfalls explizit die Berechtigung verweigert wird.
4. Die Beklagte wird verurteilt der Klägerseite Auskunft über die Klägerseite betreffende personenbezogene Daten, welche die Beklagte verarbeitet, zu erteilen, namentlich welche Daten durch welche Empfänger zu welchem Zeitpunkt bei der Beklagten durch Scraping oder durch Anwendung des Kontaktimporttools erlangt werden konnten.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 05.06.2023 der Klage teilweise stattgegeben und den Streitwert wie folgt festgesetzt: Antrag zu 1) mit 1.000,00 EUR, Antrag zu 2) mit 500,00 EUR, Antrag zu 3) mit 5.000,00 EUR (je 2.500,00 EUR) und Antrag zu 4) mit 500,00 EUR. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 14.06.2023 Streitwertbeschwerde im eigenen Namen eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 11.000 EUR festzusetzen. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.06.2023 nicht abgeholfen.
II. Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 RVG statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Streitwert war von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG auf 5.500 EUR festzusetzen.
1. Der Zahlungsantrag Ziffer 1 war mit 1.000 EUR festzusetzen.
2. Den Klageantrag Ziffer 2 mit dem die Feststellung der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden begehrt wird, ist vom Landgericht zutreffend mit 500 EUR bemessen worden. Es ist für den Streitwert von dem an seinem entsprechenden Leistungsantrag orientierten wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der beantragten Feststellung auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.2.2022, IV ZR 282/21 - juris; vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5 /23 - juris). Nach freiem Ermessen des Senats ist dieses Interesse gemäß § 3 ZPO mit 500 Euro angemessen bewertet (ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.01.2023, 4 AR 4/22 - juris: 500 EUR; vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 28.9.2022, 17 AR 36/22: 500 bis 1.000 Euro; vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 - 10 W 5 /23 - juris: 500 EUR). Der Kläger behauptet, dass es wegen des Scraping im...