Leitsatz (amtlich)
1. Ein das Anonymitätsinteresse überwiegendes Informationsinteresse an der unverpixelten Abbildung eines Angeklagten ist bei Strafverfahren, für die nach § 120 GVG das Oberlandgericht zuständig ist, regelmäßig gegeben.
2. Sitzungspolizeiliche Anordnungen, die Bildaufnahmen einschränken, beeinflussen diese Abwägung nicht.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 7.8.2017 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen den Abdruck seines unverpixelten Bildnisses in einem in der von der Antragsgegnerin verlegten "... M." erschienenen Artikel vom 7.3.2017. Im Untertitel zu diesem Foto heißt es "XX (28) aus Y. auf einer Neonazi-Demo. Der xxx ist 2014 nach F. in Sachsen gezogen.". Das Landgericht hat seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Bei der gebotenen Abwägung sei das Recht der Antragsgegnerin an einer unverpixelten Aufnahme wegen der Bedeutung des Strafverfahrens höher zu gewichten. Seiner sofortigen Beschwerde, die der Antragsteller darauf gestützt hat, hiermit werde eine im Strafverfahren erlassene sitzungspolizeiliche Anordnung umgangen und nicht hinreichend gewürdigt, dass er bislang in der Öffentlichkeit nicht in besonderem Maße wahrgenommen worden sei und durch die Berichterstattung stigmatisiert und an den Pranger gestellt werde, hat das Landgericht nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde gegen die Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Eine hinreichende Erfolgsaussicht des vom Antragstellers (ASt.) geltend gemachten Unterlassungsanspruches besteht nicht. Der auf §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG), Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützte Anspruch setzt eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus. Eine solche liegt hier nicht vor. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass eine unverpixelte Bildberichterstattung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn des Strafverfahrens vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden am 7.3.2017 vorliegend nach § 23 Absatz 1 Ziff. 1 KUG zulässig war.
Bei dem beanstandeten Foto handelt es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Es ist nicht aus dem Strafverfahren heraus angefertigt, sondern zeigt den ASt. nach dem Untertitel als Teilnehmer einer "Neonazi-Demo", ohne dass allerdings der Gegenstand dieser Demonstration oder andere Demonstranten sichtbar würden, so dass die vom Abdruck dieses Fotos ausgehende Beeinträchtigung nicht über ein kontextneutrales Bildnis hinausgeht. Das Foto dient der Illustration der Berichterstattung über das Strafverfahren gegen den ASt. und die "F.". Im Ergebnis der nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gebotenen Abwägung kommt dem Informationsinteresse der Antragsgegnerin (Ag.) an dieser unverpixelten Abbildung des ASt. der Vorrang vor dessen Persönlichkeitsrecht zu. Hierbei hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt, dass es sich bei der Berichterstattung über das zugrunde liegende Strafverfahren um eine Frage von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse handelt. Aufgabe der Medien ist die Berichterstattung über Straftaten, weil die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter begründen. Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang (vgl. BVerfG NJW 1973, 1226; NJW 1993, 1463).
Die unverpixelte Abbildung eines Angeklagten rechtfertigt dies allerdings nicht in jedem Fall, sondern nur dann, wenn für die Mitteilung über die Person ein berechtigtes, in der Sache begründetes Interesse besteht (BGH NJW 2006, 599; vgl. zur identifizierenden Berichterstattung auch BGH NJW-RR 2007, 619). Ebenso wie die namentliche Herausstellung einer Person im Rahmen einer berechtigten Berichterstattung setzt auch eine Abbildung der Person voraus, dass unter Berücksichtigung des Anonymisierungsinteresses des Betroffenen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit ist der jeweilige Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bedeutsam. Die Öffentlichkeit hat in bedeutsamen Strafverfahren ein legitimes Interesse daran zu erfahren, um wen es geht, und die Presse könnte durch eine anonymisierte Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen. Der Persönlichkeitsschutzes darf nicht dazu führen, Bereiche des Gemeinschaftslebens von öffentlicher Kritik und Kommunikation allein deshalb auszusperren, weil damit beteiligte Personen gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit geraten (BGH NJW-RR 2...