Leitsatz (amtlich)
1. Aufklärungs- und Behandlungsfehler in einer Arzthaftungssache sind unterschiedliche Streitgegenstände. Wird mit der Berufung gerügt, ein ärztlicher Eingriff habe "nicht dem Facharztstandard" entsprochen, wird dadurch der Behandlungsfehlervorwurf noch nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens.
2. Das bloße Abwarten anstelle einer relativ indizierten Operation stellt nur dann eine echte Behandlungsalternative dar, wenn es ähnliche Chancen auf Heilung in sich birgt.
3. Das Risiko, bei einer Operation eine Gefühlsminderung im Versorgungsgebiet eines Nerves zu erleiden, ist mit dem Hinweis auf die Möglichkeit von "Nervverletzungen" ausreichend beschrieben.
4. Bei einer Kombinationsoperation (hier: Débridement einer Kreuzbandruptur und Entfernung einer Bakerzyste) ist es nicht erforderlich, über Operationsrisiken, die bei jedem der Eingriffe auch isoliert auftreten können, mehrfach aufzuklären.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 1982/14) |
Tenor
Hinweis:
Mit Beschluss vom 27. April 2018 wurde der Berufungskläger nach Rücknahme der Berufung des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von vier Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3.4.2018 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
1. Behandlungsfehler sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil das Urteil insoweit nicht angegriffen wird. Erstreckt sich die Berufung bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen nicht auf alle Teile des Urteils hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt wird, werden dieser Streitstoff und der ihm zugrunde liegende Streitgegenstand nicht Bestandteile des Berufungsverfahrens (BGH VersR 2007, 414; VersR 2004, 1064; Senat Beschluss vom 16. Oktober 2017 - 4 U 1081/17 -, Rn. 2, juris). Dass der Kläger in der Berufungsbegründung vom 5.2.2018 ausgeführt hat, ein Taubheitsgefühl bestehe fort und sei "Folge einer fehlerhaften intraoperativen Lagerung durch das ärztliche Personal der Beklagten", der Eingriff selbst sei "nicht dem Facharztstandard" entsprechend durchgeführt worden, ändert daran nichts. Es handelt sich hierbei um die formelhafte Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens, die den für jeden Streitgegenstand gesondert zu prüfenden Anforderungen an eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2,3 ZPO nicht Rechnung trägt und daher nicht geeignet ist, das erstinstanzliche Urteil in Frage zu stellen.
2. Die Einwilligung des Klägers in die Operation vom 10.9.2012 war auch nicht wegen einer unzureichenden Aufklärung über Risiken und Behandlungsalternativen unwirksam. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weckt keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der vorangegangenen Tatsachenfeststellung, die eine abweichende Beurteilung oder auch nur erneute oder ergänzende Beweisaufnahme im Rahmen des § 529 ZPO gebietet.
a) Eine Aufklärung über die Möglichkeit, die Bakerzyste zu punktieren oder weiterhin lediglich mit einer Bandage oder einer Kortisoninjektion zu therapieren, war hier nicht geschuldet. Allerdings ist es zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten geboten, ihn über die Alternative zwischen einer konservativen Behandlung und einer Operation aufzuklären, wenn konservative Methoden eine echte Wahlmöglichkeit darstellen, weil sie zumindest gleichwertige Chancen, aber unterschiedliche Risiken in sich bergen (statt vieler: BGH, Urteil vom 22.02.2000, IV ZR 100/99). In gleicher Weise stellt das bloße Abwarten eine echte Behandlungsalternative dar, über die aufgeklärt werden muss, wenn die Operation nicht dringlich ist und zumindest ähnliche Chancen in sich birgt (vgl. Senat, Beschluss vom 14.02.2018 - 4 U 82/18; OLG Hamm, Urteil vom 15.12.2017 - 26 U 3/14, juris, Rz. 31 m.w.N.). Echte Behandlungsalternativen zu einer Operation gab es vorliegend indes nicht, wie das Landgericht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen S. S. zutreffend festgestellt hat. Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht eingeschätzt, dass die Einspritzung von Kortison in das Kniegelenk nicht in Betracht zu ziehen war, weil ausweislich des Arthroskopiebefundes kein Reizzustand im Kniegelenk vorlag, der eine solche Infiltration gerechtfertigt hätte. Auch eine Punktion sei angesichts ...